Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaftliche Unfallversicherung. Zuständigkeit. Beitragspflicht. Jagdgenossenschaft. Unternehmereigenschaft : Jagdunternehmen. landwirtschaftliches Unternehmen. Zwecksetzung nach dem Jagdrecht. Schutz und Förderung der Landwirtschaft. überwiegende Tätigkeit. landwirtschaftliche Selbstverwaltung
Orientierungssatz
1. Eine Jagdgenossenschaft, die das Jagdausübungsrecht an Dritte verpachtet und selbst die Jagd nicht für eigene Rechnung durch angestellte Jäger ausüben lässt, ist nicht der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zuzuordnen.
2. § 123 Abs 1 Nr 7 SGB 7 ist vom Wortlaut her mithin enger gefasst als die frühere Regelung in § 776 Abs 1 Nr 4 RVO (vgl BSG vom 13.8.2002 - B 2 U 104/02 B = HVBG-INFO 2002, 2545). Vor diesem Hintergrund ist für § 123 Abs 1 Nr 7 SGB 7 zu fordern, dass der Unternehmenszweck unmittelbar und überwiegend (mehr als die Hälfte) auf den fachlichen (technischen) landwirtschaftlichen Betrieb, also letztlich auf die landwirtschaftliche Erzeugung, nicht auch auf den kaufmännischen oder verwaltenden Teil ausgerichtet sein muss.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. September 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass nur die Bescheide der Beklagten vom 14. und 15. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2007 aufgehoben werden.
Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Jagdgenossenschaft, welche das Jagdausübungsrecht an Dritte verpachtet und selbst die Jagd nicht für eigene Rechnung durch angestellte Jäger ausüben lässt, wendet sich gegen einen Zuständigkeits- und Beitragsbescheid der Beklagten.
Die Beklagte stellte nach Anhörung der Klägerin ihr gegenüber mit Bescheid vom 14. November 2006 fest, dass die Beklagte seit dem 07. März 1992 der gesetzliche Unfallversicherungsträger für die gegen Arbeitsunfall Versicherten der Klägerin sei. Zur Begründung verwies die Beklagte auf § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und § 123 Abs. 1 Nr. 7 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Die Beklagte erhob mit Beitragsbescheid vom 15. November 2006 für die Jahre 2002 bis 2005 Beiträge in Höhe von jeweils 12,00 €. Die Klägerin erhob am 18. Dezember 2006 gegen beide Bescheide Widerspruch, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2007 zurückgewiesen wurde. In der Begründung heißt es u.a., Jagdgenossenschaften dienten ihrer Zweckrichtung nach dem Schutz und der Förderung der Landwirtschaft. Einerseits werde die Jagd gefördert, die selbst ein landwirtschaftliches Unternehmen darstelle. Andererseits gehe es den Jagdgenossenschaften um den Schutz der Landwirtschaft und Landeskultur. Letztlich schlössen Jagdgenossenschaften auch keine Siedlungsgebiete mit ein. Sie erstreckten sich vielmehr auf land- und forstwirtschaftliche Kulturflächen im Sinne der Steuergesetzgebung. Dies ergebe sich daraus, dass der praktische Nutzen der Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft darin liege, dass aus der Jagdpacht zusätzliche Betriebseinkünfte zuflössen, aus steuerlichen Gründen oftmals aus Teilen der Jagdpacht gemeinschaftlich Maschinen und Geräte angeschafft würden, die dann auch wieder für die einzelbetriebliche Nutzung zur Verfügung stünden, teilweise Beiträge aus der Jagdpacht auch für gemeinschaftliche Wegebaumaßnahmen eingesetzt würden, Jagdgenossenschaften sich um Biotopplanung kümmerten, weil durch eine optimale Biotopplanung eine höhere Jagdpacht zu erzielen sei und in vielen Fällen der Wildschadensausgleich über die Jagdgenossenschaft geregelt werde, zumindest dem Landwirt in Streitfällen bei der Interessenwahrnehmung assistiert werde.
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 14. Februar 2007 zum Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat darauf verwiesen, dass sich eine Zuständigkeit der Beklagten weder nach § 123 Abs. 1 Nr. 5 (“Jagden„) noch aus § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII begründen lasse. Die Jagdgenossenschaft diene nicht, vor allem nicht unmittelbar und überwiegend, dem Schutz und der Förderung der Landwirtschaft, und es gehe ihr nicht um den Schutz der Landwirtschaft und Landeskultur, sondern der ausschließliche Zweck der Jagdgenossenschaft bestehe darin, die Jagdausübungsrechte der Mitglieder zu verwalten, an jagdausübungsberechtigte Personen weiterzugeben und damit sicherzustellen, dass gemeinschaftliche Jagdbezirke bejagt würden. Die Bejagung der gemeinschaftlichen Jagdbezirke wie die Jagd überhaupt diene nämlich nicht der Land- und Forstwirtschaft, sondern sie sei eine Nachhaltswirtschaft, die sogar weitgehend im Konflikt mit der Nachhaltswirtschaft Land- und Fortwirtschaft stehe. Dies ergebe sich aus § 1 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG), wonach Ziel der Jagd die Erhaltung eines gesunden und artenreichen Wildbestandes sei.
Zwischenzeitlich ergingen Beitragsbescheide für die Jahre 2006 und 2007 vom 19. Februar 2007 bzw. 20. Februar 2008...