Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Wie-Beschäftigung. Jagdgast. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. überwiegendes Interesse. Jagdfreude. betriebliche Tätigkeit. Treiberschütze. ausdrückliche Versicherungsfreiheit. Ausschluss: Versicherung kraft Satzung oder freiwillige Versicherung
Orientierungssatz
Ein Jagdgast, der im Moment des Unfalls wegen äußerer Umstände (zu wenige Jagdhelfer und zu viel Schwarzwild) in einer akuten Situation vor Ort als Treiberschütze eingesetzt worden ist und damit auch eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit verrichtet hat, steht nicht gem § 2 Abs 2 S 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7 als Wie-Beschäftigter unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, da die eigenwirtschaftlichen Interessen an der Jagdteilnahme (Jagdfreude) weiterhin im Vordergrund standen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. März 2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung eines Ereignisses vom 31. Dezember 2002 als Arbeitsunfall.
Der 1956 geborene Kläger ist selber im Besitz eines Jagdscheins und Pächter in der Jagdpächtergemeinschaft (JPG) “W L„. Am 31. Dezember 2002 nahm er an einer Treibjagd in der JPG J/E teil. Jagdveranstalter und Jagdleiter war der Jagdpächter P E. Einschließlich des Jagdveranstalters waren 10 Jäger beteiligt. Die Treibjagd begann nach dem Tatortbericht der Polizei gegen 9 Uhr am Wohnort des Jagdveranstalters mit der erforderlichen Sicherheitsbelehrung. Eine nochmalige Einweisung erfolgte vor Ort durch den Jagdveranstalter bei jedem Schützen an jedem Standort. Zur Treibjagd waren zumindest drei Treiber mit ihren Hunden angestellt. Der Kläger befand sich im Schilf an der B, um einen möglichen Angriff von Schwarzwild zu verhindern. Der Jagdteilnehmer/Jagdgast B R schoss unter Missachtung des freigegebenen Schusskanals und ohne den Kläger zu sehen, auf einen aus dem Schilffeld laufenden Fuchs, verfehlte diesen jedoch. Die Kugel prallte auf das Eis und traf den Kläger an der rechten Hüfte. Der Kläger wurde mit dem Rettungswagen in das Stadtkrankenhaus T gebracht, wo das Geschoss noch am selben Tag operativ entfernt wurde. Arbeitsunfähigkeit bestand bis zum 31. März 2003.
Der Unfall wurde der Beklagten am 02. Januar 2003 mündlich mitgeteilt. In der schriftlichen Unfallanzeige vom 15. Januar 2003 gab der Jagdveranstalter an, der Kläger sei als Treiber eingeteilt gewesen. Dies wurde vom Kläger mit Schreiben vom Februar 2003 bestätigt. Die Beklagte veranlasste eine Unfalluntersuchung durch den technischen Aufsichtsbeamten (TAB) T am 09. Januar 2003, zog den Entlassungsbericht des Stadtkrankenhauses T vom 10. Januar 2003 sowie die Akte der Staatsanwaltschaft Neuruppin zum Aktenzeichen bei und holte eine ausführliche Auskunft von der Fachärztin für Allgemeinmedizin K vom April 2003 ein. Mit Schreiben vom 14. April 2003 teilte die Beklagte der Krankenkasse des Klägers - der AOK Land Brandenburg - mit, der Unfall sei als Arbeitsunfall anerkannt worden und bat um Berechnung und Zahlung des Verletztengeldes. Außerdem veranlasste sie die Erstellung eines ersten Rentengutachtens durch Prof. Dr. E/Dr. D/T. H. Diese stellten in ihrem Gutachten vom 02. Juni 2005 als Unfallfolgen reizlose Narbenverhältnisse unterhalb der Spina iliaca anterior rechts nach Schussverletzung und Entfernung des Geschosses, eine geringgradige Bewegungseinschränkung für die Beugung im rechten Hüftgelenk, Metallreste im Bereich der Weichteile sowie des Knochens der rechten Beckenschaufel nach Schussverletzung und einen Knochendefekt in der rechten Beckenschaufel durch Schussverletzung fest. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) setzten sie mit unter 10 vom Hundert (v. H.) an. Im einem Telefonat mit der Beklagten am 25. August 2005 teilte der Jagdveranstalter auf Nachfrage der Beklagten mit, der Kläger sei als Treiber eingesetzt gewesen, habe aber ein Gewehr gehabt, weil er als Schütze im Kreise der Treiber gewesen sei und einen möglichen Angriff von Schwarzwild auf die Treiber habe verhindern sollen. Er sei kein Jagdgast gewesen.
Mit Bescheid vom 01. September 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Leistungen seien nicht zu gewähren. Zwar habe der Jagdleiter angegeben, dass der Kläger lediglich als Treiber eingeteilt und nicht als Jäger an der Treibjagd beteiligt gewesen sei. Im Widerspruch hierzu habe der Kläger selber jedoch bei der späteren Zeugenvernehmung durch die Polizei in P am 28. Januar 2003 angegeben, dass er der Schützengruppe des Jagdleiters zugeteilt gewesen sei und die Aufgabe gehabt habe, das Auswechseln von Schwarzwild zu verhindern. Ebenso habe er angegeben, das Gewehr fallen gelassen zu haben, als er von der Kugel getroffen worden sei. Er sei daher nicht als Treiber eingesetzt gewesen, sondern gelte als Jagdgast. Jagdgäste stünden nicht...