Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Entgeltbegrenzung bei der Überführung von Rentenanwartschaften aus dem Beitrittsgebiet
Orientierungssatz
1. Nach dem Einigungsvertrag sind u. a. ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen. Der Gesetzgeber darf deshalb solche politisch motivierten Einkommensteile bei der Überführung der Renten und Anwartschaften in das Rentensystem der Bundesrepublik ohne Verstoß gegen Art. 14 GG von der Berücksichtigung ausschließen.
2. Die durch § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG bewirkte Rentenkürzung erfasst lediglich Zeiten einer Tätigkeit in weit herausgehobener Stellung als Minister bzw. stellvertretender Minister. Sie ist nicht unverhältnismäßig, weil die nach der Kürzung verbleibenden Renten immer noch erheblich über der Durchschnittsrente eines Bürgers der früheren DDR liegen.
3. Ein ehemaliger Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR zählt nicht zu dem Personenkreis, der in Funktionen auf den höchsten Ebenen des sog. Kadernomenklatursystems der DDR einbezogen und einkommens- und versorgungsseitig Teil eines Gesamtkonzepts der Selbstprivilegierung innerhalb des Staates war. Damit liegen in dessen Person die Voraussetzungen für eine Entgeltbegrenzung nach § 6 Abs. 2 AAÜG nicht vor.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. August 2011 aufgehoben.
Die Beklagte als Zusatzversorgungsträger wird unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2009 unter entsprechender Rücknahme des Bescheides vom 4. März 1999 verpflichtet, die Feststellung des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Entgeltbegrenzung in der Zeit vom 1. Januar 1978 bis 17. März 1990 aufzuheben.
Die Beklagte als Rentenversicherungsträger wird unter Änderung des Bescheides vom 31. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2002 verurteilt, dem Kläger eine höhere Rente unter Berücksichtigung der in der Zeit vom 1. Januar 1978 bis 17. März 1990 erzielten Arbeitsentgelte bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten zum einen die Aufhebung der Feststellung des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze für die Zeit vom 1. Januar 1978 bis 17. März 1990 sowie zum anderen höhere Regelaltersrente ohne Berücksichtigung von unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze begrenzten Arbeitsentgelten.
Der im September 1935 geborene Kläger, der von August 1954 bis Juni 1958 ein Studium der Rechtswissenschaft mit Abschluss zum Diplom-Juristen (Urkunde der K--Universität L vom 30. Juni 1958) absolvierte, arbeitete vom 1. August 1958 bis 31. Juli 1959 bzw. 31. August 1959 als Staatsanwalt beim Staatsanwalt des Bezirkes M, vom 1. August bzw. 1. September 1959 bis 31. August 1962 als Redakteur beim VEB D und vom 1. September 1962 bis 31. Dezember 1962 als Hauptreferent beim Ministerium für auswärtige Angelegenheiten. Vom 1. Januar 1963 bis 2. Oktober 1990 war er unter der Berufsbezeichnung Staatsanwalt bei der Obersten Staatsanwaltschaft bzw. beim Generalstaatsanwalt (Generalstaatsanwaltschaft) der Deutschen Demokratischen Republik tätig. Er wurde ab 1. Januar 1977 nach der Gehaltsgruppe E 3 entlohnt. Er gehörte der Abteilung XI Öffentlichkeitsarbeit an, deren Leiter er im streitigen Zeitraum der begrenzten Arbeitsentgelte war. Nach Eintritt in den Wartestand am 3. Oktober 1990 nahm er zum 4. November 1990 bzw. 4. April 1991 eine Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt auf.
Zum 9. Februar 1971 war er der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates (AV Staatsapparat) beigetreten und hatte vom 1. Januar 1971 bis 30. Juni 1990 entsprechende Beiträge gezahlt.
Mit Feststellungsbescheid vom 4. März 1999 hatte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (nachfolgend ebenfalls Beklagte genannt) als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme mit Wirkung für Leistungszeiträume ab 1. Januar 1997 die Zeiten vom 1. August 1958 bis 31. Juli 1959 und vom 1. September 1962 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zur AV Staatsapparat und die in diesen Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt. Dabei hatte sie für die Zeit vom 1. Januar 1978 bis 17. März 1990 auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Begrenzung der Entgelte auf die Durchschnittsentgelte nach Anlage 5 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) festgestellt, wozu ausgeführt ist, dass der Grenzbetrag der Anlage 4 AAÜG erreicht bzw. überschritten worden sei.
Im Januar 2000 beantragte der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. April 1999 - BvL 22/95 und 34/95 unter Änderung dieses Feststellungsbescheides die Berücksichtigung der Arbeitsentgelte bis ...