Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Vermögenseinsatz. Leistungsgewährung als Darlehen durch Verwaltungsakt. Erhebung von Zinsen. § 89 BSHG iVm § 488 BGB als Ermächtigungsgrundlage. Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls
Orientierungssatz
1. Der Sozialhilfeträger hat auch bei der Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe als Darlehen durch Verwaltungsakt im Einzelfall die Möglichkeit, Zinsen zu erheben.
2. Gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Zinsforderung ist § 89 BSHG bzw § 91 SGB 12 iVm § 488 BGB.
3. Die Verzinsung darlehensweise erbrachter Leistungen hat unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der sozialhilferechtlichen Grundentscheidung des BSHG (bzw nunmehr des SGB 12) zu erfolgen (vgl OVG Lüneburg vom 28.4.1999 - 4 L 2827/98).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin des gesamten Verfahrens findet nicht statt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich mit der Berufung - noch - gegen die erstinstanzliche Aufhebung seines Rückforderungsbescheides, soweit er mit diesem von der Klägerin die Zahlung von Zinsen wegen eines im Jahre 2002 bewilligten Darlehens verlangt.
Die Klägerin stand im Jahre 2002 beim Beklagten im Bezug von Leistungen nach dem damals geltenden Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Infolge eines Erbfalles wurde sie zu 1/3 Miteigentümerin eines Grundstückes in der Astraße in B.
Mit Bescheid vom 20. September 2002 bewilligte der Beklagte der Klägerin daraufhin ab dem 1. Oktober 2002 Sozialhilfe als Darlehen nach § 89 BSHG und führte im Darlehensbescheid folgendes aus:
"Das Darlehen ist von dem Zeitpunkt an, zu dem Ihnen jeweils Sozialhilfe ausgezahlt wird, mit 4 v.H. zu verzinsen. Die Zinsen werden bis zur Fälligkeit der Darlehensschuld gestundet.
Sie sind Miteigentümerin eines Grundstückes in B, Astraße.
Der Wert des Grundstückes einschließlich der Bebauungen ist schätzen zu lassen.
Die darlehensweise gewährte Sozialhilfe ist für das Bezirksamt Reinickendorf von Berlin mittels eines Pfandrechts abzusichern. Bitte wenden Sie sich an einen Notar. Der Notar soll zum Vollzug der Urkunde die Vormerkung und Eintragung ins Grundbuch veranlassen.
Die Rückzahlung des Darlehens wird vorläufig gestundet. Sie wird jedoch sofort fällig:
bei Ihrem Tode
- wenn das oben genannte Grundstück
- - zwangsverwaltet oder
zwangsversteigert wird,
- - nicht mehr Ihr Eigentum ist
- wenn Sie in anderer Weise zu Vermögen gelangen
- wenn die Hilfebedürftigkeit endet.
Sobald das Darlehen fällig wird, ist die Schuld mit 5 v.H. über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank - höchstens aber mit 10 v.H. - zu verzinsen.
Kosten müssen Sie selbst tragen für
- die Schätzung des Grundstückes
- die Eintragung des Pfandrechts
- die Beurkundungen."
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 8. Oktober 2002 Widerspruch, mit dem sie die Gewährung eines verlorenen Zuschusses statt eines Darlehens erstrebte. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2004 teilte der damalige Anwalt der Klägerin dem Beklagten mit, dass die Klägerin nunmehr insgesamt 93.315,41 € Verkaufserlös aus dem Verkauf des Miteigentumsanteils erzielt habe und dass hinsichtlich des Widerspruchs vom 8. Oktober 2002 eine Entscheidung noch immer ausstehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2004 wies der Beklagte den am 8. Oktober 2002 eingegangenen Widerspruch gegen den Darlehensbewilligungsbescheid vom 20. September 2002 als unbegründet zurück und teilte mit, dass wegen der Höhe der Rückforderung eine gesonderte Mitteilung erfolgen werde.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Berlin (S 50 SO 215/05).
Mit Datum vom 14. Januar 2005 machte der Beklagte eine Rückforderung aus dem Darlehen in Höhe von 21.975,45 € geltend. Mit Verfügung vom 6. Mai 2005 ordnete er die sofortige Vollziehung seines Bescheides vom 20. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 10. Dezember 2004 an und forderte nunmehr einschließlich aufgelaufener Zinsen 23.767,76 € von der Klägerin. Mit Schreiben vom 28. Juni 2005 folgte eine Mahnung, über 23.932,58 "Eur inklusive Mahngebühren und eventuelle Verzugszinsen". Eingerechnet war eine Mahngebühr von 51,10 €.
Mit Schreiben vom 2. August 2005 teilte der Anwalt der Klägerin dem Beklagten mit, seine Mandantin habe unter Vorbehalt der Rückforderung zur Vermeidung einer zwangsweisen Beitreibung einen Betrag von 21.975,45 € überwiesen. Eine Verzinsung sei unzulässig.
Mit Schreiben vom 19. August 2005 teilte der Beklagte mit, er halte an der Restforderung von weiteren 2.070,18 € Zinsen und Mahngebühren fest. Die Klägerin zahlte daraufhin diesen weiteren Betrag am 1. September 2005.
Am 13. Dezember 2006 fand in dem anhängigen Sozialgerichtsverfahren S 50 SO 215/05 Termin zur mündlichen Verhandlung statt.
In diesem Termin wurde folgendes auszugsweise protokolliert:
"Der Klägervertreter erklä...