Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Einkommensanrechnung bei der Witwenrente. Rückforderung von Rentenzahlung wegen unterbliebener Einkommensanrechnung. Anforderungen an die Kausalität zwischen unterbliebener Mitwirkung und Rentenfestsetzung
Orientierungssatz
Hat ein Empfänger von Witwenrente neben der Rente noch weiteres Einkommen bezogen, das bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt wurde, so scheidet eine Rücknahme des Rentenbescheides auch dann aus, wenn der Betroffene zwar seine Mitwirkungspflichten verletzt hat, der Rententräger aber aufgrund einer - fehlerhaften - Auslegung des Rechts auch bei einer ordnungsgemäßen Mitteilung eine Anrechnung nicht vorgenommen hätte und deshalb ein Ursachenzusammenhang zwischen unterbliebener Anzeige des Einkommens und Rentenfestsetzung nicht gegeben ist.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 2. April 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Mai 2009 bewilligter großer Witwerrente und eine Erstattungsforderung in Höhe von 6.861,70 EUR.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, bewilligte dem 1943 geborenen Kläger antragsgemäß mit Bescheid vom 29. Oktober 2002 ab 10. Juli 2002 große Witwerrente, die sie ihm ab 1. Dezember 2002 in Höhe von 317,69 EUR zuzüglich einer Nachzahlung für den davorliegenden Zeitraum laufend zahlte. Vom 1. Januar 2002 bis 31. Juni 2003 erhielt der Kläger Überbrückungsgeld nach Inanspruchnahme einer Vorruhestandsregelung, und zwar vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2002 in Höhe eines Zahlbetrages von insgesamt 4.727,18 EUR und vom 1. Januar 2003 bis 31. Juni 2003 in Höhe von 2.963,10 EUR. Im Juli 2003 bezog er Arbeitslosengeld in Höhe von 129,01 EUR wöchentlich. Ab 1. August 2003 gewährte ihm die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (DRV BB) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von zunächst 792,22 EUR, wie sie der Beklagten im Mai 2003 mitgeteilt hatte (Bescheid vom 15. Mai 2003).
Mit Bescheid vom 6. August 2003 berechnete die Beklagte die bisherige große Witwerrente ab 1. Juli 2003 wegen einer durchzuführenden Rentenanpassung und der Änderung des auf die Rente anzurechnenden Einkommens neu und zahlte die Rente ab 1. Oktober 2003 in Höhe von 321,47 EUR aus. In der Anlage 1 zum Bescheid führte sie aus, weder für die Zeit ab 1. Juli 2003 noch ab 1. August 2003 wirke sich das Einkommen auf die Rentenhöhe unter Hinweis auf die Anlage 8 aus. Danach hatte sie der Berechnung der Hinterbliebenenrente für Juli 2003 Erwerbsersatzeinkommen (Arbeitslosengeld/Eingliederungsgeld) in Höhe von 559,04 EUR zugrunde gelegt und für die Zeit ab 1. August 2008 als Erwerbsersatzeinkommen die Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe eines monatlichen Zahlbetrags von 792,22 EUR. Dieses Einkommen sei nicht um wenigstens 10 % geringer als das bisher berücksichtigte Einkommen von 236,36 EUR, das daher weiterhin zu berücksichtigen sei, ohne den Freibetrag von 606,41 EUR zu übersteigen.
Die DRV BB teilte der Beklagten im Oktober 2003 den - nach Neufeststellung mit Bescheid vom 9. Oktober 2003 - ab 1. August 2003 maßgeblichen Rentenzahlbetrag von 1.000,26 EUR mit. Ausweislich eines internen Vermerks vom 20. Oktober 2003 ging die Beklagte für die Zeit ab 1. August 2003 unverändert davon aus, dass das Erwerbsersatzeinkommen des Klägers auch in der aktuell mitgeteilten Höhe nicht zu berücksichtigen sei.
Nachdem der Beklagten im März 2009 das seit dem 1. August 2003 erzielte Einkommen des Klägers aus einer geringfügigen Beschäftigung von monatlich 340 EUR brutto bekannt worden war, berechnete sie nach Anhörung des Klägers die bisherige große Witwerrente mit Bescheid vom 28. April 2009 ab 1. August 2003 neu und forderte für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Mai 2009 die Erstattung einer Überzahlung von 6.861,70 EUR. Ausweislich der Anlage 10 zum Bescheid (“Ergänzende Begründungen und Hinweise„) nahm sie zugleich den Rentenbescheid vom 6. August 2003 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 1. Juli 2005 “nach § 45 SGB X„ für die Vergangenheit und für die Zukunft zurück; die entstandene Überzahlung “(vgl. Anlage 1)„ sei vom Kläger zu erstatten. Der Kläger könne sich auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides nicht berufen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2009 zurück, da weder Vertrauensschutzgesichtspunkte im Sinne des “§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X„ noch Ermessenerwägungen der Bescheidrücknahme ab dem 1. Juli 2005 entgegenständen.
Auf die am 26. Januar 2010 vor dem Sozialgericht (SG) Cottbus erhobene Klage, mit der sich der Kläger sinngemäß gegen die Aufhebung und Erstattungsforderung für den Zeitraum vom 1...