Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Abgrenzung: abhängige Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit. Abgrenzungskatalog der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger. Schauspieler. Gastspielvertrag

 

Orientierungssatz

1. Zur Beschäftigungseigenschaft eines Schauspielers bei einem Gastspielvertrag.

2. Die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als Arbeitnehmer anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken begründet keine Selbständigkeit. Des Weiteren lässt der Umfang einer Tätigkeit nur für einzelne Tage für sich keinen Rückschluss darauf zu, dass es sich um eine selbständige Tätigkeit handelte. Diese Besonderheit besteht vielmehr bei “unständig Beschäftigten„, ohne dass an deren abhängiger Beschäftigung für einzelne Tage gezweifelt wird.

3. Auch wenn der Abgrenzungskatalog der Spitzenorganisation der Sozialversicherung keine Bindungswirkung entfaltet, spricht für dessen Bewertung, dass er nach Anhörung der maßgebenden Interessenverbände aus dem künstlerischen Bereich entwickelt worden ist und der Tatsache Rechnung trägt, dass innerhalb der Kategorie “Gastspiel„ eine Vielzahl von Fallgestaltungen denkbar ist, die nur zu einem geringen Teil eine selbständige Tätigkeit erfassen. In diesem Katalog wird eine selbständige Tätigkeit bei einem Schauspieler, Sänger, Tänzer und Instrumentalsolisten dann angenommen, wenn dieser nach seiner hervorragenden künstlerischen Stellung maßgeblich zum künstlerischen Erfolg einer Aufführung beizutragen verspricht. Diese Abgrenzung ist vor dem Hintergrund, dass ein derartiger Schauspieler sich gerade nicht, auch nicht zeitweise, in einen Theaterbetrieb eingliedert, nachvollziehbar.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juli 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2007 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das Geschehen vom 8. Oktober 2005 ein Arbeitsunfall und eine Schultereckgelenkszerrung rechts Folge des Arbeitsunfalls waren.

Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtstreits zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung eines Unfalls des Klägers als Arbeitsunfall sowie dessen Folgen.

Der 1963 geborene Kläger ist Schauspieler und Regisseur. Er schloss am 6. September 2005 mit dem M Theater einen “Gastvertrag„, durch den er sich verpflichtete, in der Neuinszenierung des Werkes “DP„ (DP) die Rolle des G zu übernehmen. Nach § 1 Abs. 3 des Vertrages war die Premiere für den 11. November 2005 vorgesehen. Weitere 14 Vorstellungstermine in der Zeit vom 27. November 2005 bis zum 7. Juli 2006 waren in § 15 Abs. 7 des Vertrages aufgeführt. Weitere Vorstellungstermine konnten nur mit der Agentur S abgesprochen werden. Die in § 2 des Vertrages aufgeführten Leistungspflichten des Gastes sahen u.a. vor, allen Weisungen der Bühne nachzukommen, auch hinsichtlich Regie sowie Kostüm und Maske, mit gelernter Rolle zu den Proben zu erscheinen und an allen Proben teilzunehmen, die seine Anwesenheit erfordern. Die Proben sollten voraussichtlich am 4. Oktober 2005 beginnen. Nach § 3 des Vertrages erhielt der Gast für die geschuldeten Leistungen ein Bruttohonorar für die Probenzeit in Höhe von 3.500 € als Probenpauschale und 350 € je Aufführung. Die Abrechnung und Auszahlung der Aufführungshonorare sollten nach § 4 zum Ende eines jeden Monats, spätestens jedoch bis zum 15. des jeweiligen Monats erfolgen. Die erste Rate in Höhe von 1.500 € wurde mit Probenbeginn fällig. Nach § 6 Abs. 1 des Vertrages entfiel, wenn der Gast aus einem in seiner Person liegenden Grund verhindert war, an einer Aufführung bzw. Probe teilzunehmen, das für diese Aufführung vereinbarte Honorar bzw. anteilig die Probenpauschale. Der Gast verlor gemäß § 6 Abs. 4 des Vertrages seinen für die Aufführung bestehenden Honoraranspruch, wenn ihm die Absage 7 Werktage vor der geplanten Aufführung zugegangen war. Nach § 10 Abs. 1 des Gastvertrages durfte der Gast während der Probenzeit eine anderweitige künstlerische Tätigkeit (Nebenbeschäftigung) öffentlich nur mit Einwilligung der Bühne ausüben. Der Gast hatte gemäß § 12 des Vertrages keinen Anspruch auf Beschäftigung.

Am 8. Oktober 2005 stürzte der Kläger bei einer Probe auf die rechte Schulter und erlitt eine Schultereckgelenkszerrung rechts.

Die Beklagte erhielt zunächst durch den Durchgangsarztbericht der Dres. K und O, B, vom 10. Oktober 2005 Kenntnis von diesem Unfall, während eine Unfallanzeige des M Theaters erst am 24. April 2006 nach wiederholter Mahnung einging. Ergänzend teilte das Theater am 25. April 2006 mit, dass der Kläger als “gastspielverpflichteter Künstler in einer abhängigen Beschäftigung behandelt„ werde.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen wegen des Ereignisses vom 8. Oktober 2005 ab. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozi...

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