Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. zuständiger Unfallversicherungsträger. Einrichtung zur Hilfe bei Unglücksfällen. Satzungszweck. wirtschaftliche Betätigung. Betätigung im Bereich des Gesundheitsdienst und der Wohlfahrtspflege. Kindertagesstätte. Unfallversicherungsträger im Landesbereich. Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Nichtvorliegen eines formellen Zuständigkeitsbescheids. gesetzliche Zuständigkeitsregelung. altes Recht: unternehmensbezogene Zuständigkeitsregelung. neues Recht: personenbezogene Zuständigkeitsregelung

 

Orientierungssatz

1. Zuständiger Unfallversicherungsträger für satzungszweckgemäße Einrichtungen des Johanniter-Unfallhilfe eV (hier: Kindertagesstätte) ist gem § 655 Abs 2 Nr 1 RVO der im Landesbereich zuständige Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, nicht die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, auch wenn bisher kein formeller Aufnahme- oder Zuständigkeitsbescheid des öffentlich-rechtlichen Unfallversicherungsträgers ergangen ist.

2. Ein Unglückshilfe-Unternehmen verliert seinen Status nicht dadurch, dass es andere karitative oder medizinisch-soziale Aufgaben übernimmt. Entscheidend ist der durch die satzungsmäßige Aufgabenstellung bestimmte Zweck des Unternehmens. Solange dieser Zweck nicht von wirtschaftlichen Erwägungen eines auf Gewinnerzielung gerichteten Gewerbebetriebes überlagert wird, handelt es sich (weiterhin) um ein Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen iS des § 655 Abs 2 Nr 1 RVO. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts führt selbst eine wirtschaftliche Betätigung des Unternehmens, sofern sie letztlich der Finanzierung der darüber hinausreichenden Bereitschaft zur Unglückshilfe dient, nicht zum Verlust der Eigenschaft als Unglückshilfe-Unternehmen (vgl BSG vom 18.12.1979 - 2 RU 67/77 = BSGE 49, 222).

3. Sofern die Aktivitäten des Unternehmens auf dem Gebiet des allgemeinen Gesundheitsdienstes, der Wohlfahrtspflege oder auf anderen Bereichen nicht ein Ausmaß erreichen, durch welches dessen Funktion als Unglückshilfe-Unternehmen in Frage gestellt wird, und die Bereitschaft zur Hilfeleistung in Unglücksfällen nach wie vor das wesentliche Ziel des Unternehmens ist, bleibt dessen Status bestehen.

4. Der Geltung des § 655 Abs 2 Nr 1 RVO für den Kläger steht nicht entgegen, dass er sich in rechtlich unselbständige Landes-, Kreis- und Ortsverbände mit zahlreichen Standorten in ganz Deutschland untergliedert und nicht nur in einem Bundesland, sondern im gesamten Bundesgebiet tätig ist.

5. Der gesetzlich begründeten Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers der öffentlichen Hand steht nicht das Außerkrafttreten des § 655 Abs 2 Nr 1 RVO zum 31.12.1996 und das Fehlen einer unternehmensbezogenen Zuständigkeitsregelung im SGB 7 entgegen. Dass die Zuständigkeitsregelung des § 128 Abs 1 Nr 6 SGB 7 personenbezogen ausgestaltet ist, führt nämlich nicht zum Erlöschen der zuvor durch § 655 Abs 2 Nr 1 RVO begründeten Zuständigkeit des öffentlich-rechtlichen Unfallversicherungsträgers. Deren Fortbestehen ist aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unumgänglich. Ebenso wie bei einer Formalversicherung bleibt ein durch gesetzliche Zuständigkeitsregelung begründetes Versicherungsverhältnis so lange bestehen, bis durch eine neue gesetzliche Regelung eine andere originäre Zuständigkeit begründet wurde, oder bis das Versicherungsverhältnis durch eine ausdrückliche Erklärung des betroffenen Unfallversicherungsträgers in Form eines hoheitlichen Aktes beendet worden ist.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege zuständiger Unfallversicherungsträger der Kindertageseinrichtung L, H in H, des Klägers ist und diese zu Recht ab 01. Januar 1997 nach dem ab 01. Januar 1996 gültigen Gefahrtarif veranlagt und zur Beitragszahlung herangezogen hat.

Der bei dem Amtsgericht Charlottenburg in Berlin als gemeinnütziger Verein eingetragene Kläger ist ein Verband der Freien Wohlfahrtspflege und dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland unmittelbar angeschlossen. Er versteht sich als eine freiwillige Hilfsgesellschaft im Sinne des Artikels 26 des 1. Genfer Abkommens vom 12. August 1949. Der Kläger untergliedert sich in vom Gesamtverein rechtlich unselbständige Landes-, Kreis- und Ortsverbände mit zahlreichen Standorten in ganz Deutschland.

Nach § 2 der Satzung des Klägers vom 08. Juli 1968 hatte sich der Verein folgende Aufgaben gestellt:

1.

Ausbildung in Unfall- und Katastrophenhilfe aller Art

2.

Ausbildung in häuslicher Krankenpflege

3.

Hilfeleistung im allgemeinen Sanitätsdienst, bei außerordentlichen Notständen und Einsatz in Unfall- und Katastrophenfällen

4.

Jugendpflege

5.

Erwachsenenbildung

In § 2 der aktuellen Fassung der Satzung sind die Aufgaben des Klägers wie folgt beschrieben:

1.

Aufgabe der JUH ist der Dienst am Nächsten. Dazu gehören insbesondere Betätigung sowie Aus- und Fortbildung ...

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