Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachversicherungspflicht in der Sozialversicherung: Verjährung eines Anspruchs auf Säumniszuschläge bei unterlassener Nachversicherung durch einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn. Verwirkung eines Anspruchs auf Säumniszuschläge durch Nichterhebung gegenüber einer Behörde
Orientierungssatz
1. Hat ein Dienstherr beim Ausscheiden eines Beamten trotz Kenntnis von der dadurch bestehenden Nachversicherungspflicht deren Erfüllung um mehrere Monate verzögert und die Zahlung der daraus resultierenden Beiträge nicht sicher gestellt, so ist zumindest im Hinblick auf die unterlassene (unverzügliche) Nachversicherung von einem bedingten Vorsatz in Form eines billigend Inkaufnehmens der Nichtzahlung auszugehen. Insoweit kann sich der Beitragspflichtige nicht auf den Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist berufen.
2. Aus einem bloßen Unterlassen der Geltendmachung von Säumniszuschlägen durch einen Sozialversicherungsträger für einen gewissen Zeitraum kann nicht die Verwirkung des Anspruchs abgeleitet werden.
3. Im Verhältnis zwischen zwei Behörden verdient das Vertrauen auf die Beibehaltung einer als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis (hier: Nichterheben von Säumniszuschlägen) keinen Vertrauensschutz.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. Mai 2009 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Säumniszuschlägen in Höhe von 5.808,79 Euro wegen verspäteter Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der Nachversicherung.
Am 19. November 1999 endete die Amtszeit des Bezirksstadtrats T S, geboren 1958, der dem Kläger, dem Bezirksamt S der Stadt B, seit dem 30. November 1995 angehörte. Mit Schreiben vom 20. Juni 2000 zeigte der Kläger der Beklagten das Ende des Beamtenverhältnisses des T S an. Für den Zeitraum des versicherungsfreien Dienstverhältnisses seien Beiträge zur Rentenversicherung gemäß § 8 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nachzuentrichten. Unter Berücksichtigung der Dynamisierung gemäß § 181 Abs. 4 SGB VI ergebe sich für den Zeitraum vom 30. November 1995 bis zum 19. November 1999 ein Nachversicherungsbeitrag in Höhe von 114.351,01 DM. Die Beklagte wurde zwecks Überweisung des Nachversicherungsbeitrags um Mitteilung einer Kontonummer und des entsprechenden Aktenzeichens gebeten. Ausweislich eines Telefonvermerks vom 11. Juli 2000 teilte eine Mitarbeiterin der Beklagten dem Kläger die Versicherungsnummer bzw. das Bearbeitungskennzeichen für die Nachversicherung, die Bankverbindung und Angaben zum Verwendungszweck mit. Die Nachversicherungsbeiträge gingen am 14. Juli 2000 bei der Beklagten ein. Mit Schreiben vom 22. August 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Betrag von 35.323,87 DM zuviel überwiesen worden sei und dieser Betrag zurückgezahlt werde.
Die bei dem Kläger zuletzt als Stadtoberinspektorin tätig gewesene G S, geboren 1953, schied mit Ablauf des 31. Mai 2000 gegen Zahlung einer Prämie in Höhe von 91.890,- DM gemäß der Verwaltungsvorschrift über Prämien zur Realisierung von Personalkosteneinsparungen aus dem Beamtenverhältnis zu dem Kläger aus. GS war vom 01. April 1972 bis zum 28. Februar 1987 zunächst beim Polizeipräsidenten in B und anschließend vom 01. März 1987 bis zum 31. Januar 1991 bei dem Landeseinwohneramt Berlin tätig, bevor sie dann zur Abteilung Personal und Wirtschaft bei dem Bezirksamt S von B wechselte. Nachdem dem Kläger die Angaben über den Nachversicherungszeitraum und die beitragspflichtigen Entgelte von dem Landeseinwohneramt und dem Polizeipräsidenten B zugegangen waren und nach Prüfung der Zuständigkeit beim Wechsel der Behörde durch die Beamtin innerhalb des Landes B teilte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 26. Oktober 2000 mit, dass G unter Inanspruchnahme einer Prämiezahlung mit Ablauf des 31. Mai 2000 aus dem Dienst entlassen worden und die Nachversicherung für die Zeit vom 01. April 1972 bis zum 31. Mai 2000 durchzuführen sei. Unter Berücksichtigung der Dynamisierung gemäß § 181 Abs. 4 SGB VI ergebe sich für den genannten Zeitraum ein Nachversicherungsbeitrag in Höhe von 249.815,15 DM. Auch hier wurde zur Überweisung des Nachversicherungsbeitrags um Mitteilung der Kontonummer und des entsprechenden Kassenzeichens gebeten. Ausweislich eines Telefonvermerks vom 22. November 2000 teilte eine Mitarbeiterin der Beklagten die Kontonummer und Bankleitzahl sowie die Versicherungsnummer als erforderliches Kassenzeichen mit. Die Nachversicherungsbeiträge gingen am 27. November 2000 bei der Beklagten ein.
Am 03. Juni 2003 leitete die Beklagte die Prüfung der Nachversicherung nach § 212 SGB VI u. a. bei den Bezirksämtern ein. Die Prüfung wurde am 08. November 2004 durchgeführt, geprüfter Zeitraum war die Zeit vom 01. Dezember 1999 bis zum 31. August 2004. Die Schlussbesprechung mit dem Kläger ...