Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. unmittelbarer Weg. Einkaufen auf dem Heimweg. Abweg. Beendigung des Abwegs erst bei Wiedererreichen des direkten Arbeitswegs. kein Versicherungsschutz des kürzeren Heimwegs
Leitsatz (amtlich)
Wer den direkten Weg auf dem Nachhauseweg von der Arbeitsstelle verlässt um einzukaufen, befindet sich solange auf einem unversicherten Abweg, wie er die direkte Route noch nicht wieder erreicht hat.
Orientierungssatz
Es ist unerheblich, ob es für den Versicherten günstiger wäre, zur Wiedererreichung des direkten Arbeitswegs eine längere Strecke zurückzufahren oder einen unmittelbaren (kürzeren) Weg zu nehmen.
Normenkette
SGB VII § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 4.11.2019 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Verkehrsunfall vom 1.7.2016 ein Arbeitsunfall (Wegeunfall) ist.
Die 1953 geborene und in Bo., Frankreich, wohnhafte Klägerin war bis 31.3.2018 bei der F.-Werke GmbH in Sa. beschäftigt. Am 1.7.2016 fuhr sie nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause von der Autobahn A620 an der Autobahnabfahrt Wa. ab, um im L. Markt in der Wa. Straße einzukaufen. Anschließend wollte sie vom L. Markt über die Sch. und die F.-Allee parallel zur Autobahn A620 bis zur B405 in Höhe der Autobahnabfahrt Sa.-Mitte fahren. Die B405 führt direkt nach Bo. Im Bereich Sch./F.-Allee kollidierte sie mit einem anderen Pkw und zog sich dabei Verletzungen zu.
Mit Bescheid vom 8.3.2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das Ereignis vom 1.7.2016 nicht als Arbeitsunfall anerkannt werde. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Einschieben eines zusätzlichen Weges in die eigentliche Wegstrecke, bei dem die Zielrichtung Arbeitsstätte/Wohnung nicht eingehalten werde, sondern von diesem Ziel weg oder über dieses hinausführe, sei ein Abweg, der nicht dem Versicherungsschutz unterliege.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, es sei ihr gewöhnlicher Weg zwischen Arbeit und Wohnort gewesen. Insoweit habe sie die gewöhnliche Wegstrecke gar nicht verlassen, jedenfalls sei sie nach dem erfolgten Einkauf wieder auf der Wegstrecke nach Hause gewesen. Dieser sei auch grundsätzlich kürzer im Vergleich zur Autobahnstrecke.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.8.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Weg über die Autobahnen A8 und A620 sowie der Bundesstraße B405 sei der kürzere und von der Klägerin aus rein eigenwirtschaftlichen Gründen, nämlich dem Einkauf bei L., verlassen worden. Zum Unfallzeitpunkt sei die Klägerin noch nicht darauf zurückgekehrt gewesen. Die Tatsache, dass die Klägerin dies öfter tue, ändere nichts daran, dass es sich beim Einkaufen und den damit verbundenen Wegen um unversicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeiten handele.
Die Klägerin hat am 5.9.2017 Klage erhoben und vorgetragen, regelmäßig fahre sie von der A620 an der Abfahrt Wa. ab, um bei L. Einkäufe zu machen. Danach sei es so, dass sie nicht mehr auf die A620 auffahre, sondern den Weg nehme, den sie auch am Unfalltag genommen habe. Die F.-Allee münde in die B405 nach ca. 2-2,5 km. Das sei ihr typischer Heimweg, wenn sie in dem streitgegenständlichen Industriegebiet einkaufe. Im Übrigen sei dieser Weg auch etwas kürzer als der Heimweg über die A620.
Mit Urteil vom 4.11.2019 hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) den Bescheid vom 8.3.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.8.2017 aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei dem Verkehrsunfall der Klägerin vom 1.7.2016 um einen Versicherungsfall/Arbeitsunfall der gesetzlichen Unfallversicherung handele. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, entgegen der Auffassung der Beklagten sei mit dem einmal erfolgten Verlassen der A620 an der Ausfahrt Wa. der Abweg nicht quasi unumkehrbar bzw. abhängig von einer Rückkehr der Klägerin auf die A620. Denn nach Abschluss der Einkäufe habe sich die Fahrtroute über die Wa. Straße in die Sch. und von dort in die F.-Allee und über die B405 nach Bo. als unmittelbarer und direkter Heimweg dargestellt. Nachzutragen sei, dass ein vernünftig handelnder Mensch nach objektiver Verkehrsanschauung, unter Berücksichtigung der örtlichen Straßenverläufe und Verkehrsverhältnisse, an Stelle der Klägerin den Heimweg auch nicht über eine Rückkehr auf die A620 angetreten hätte, sondern die von der Klägerin genommene Fahrtroute gewählt hätte. Die Kammer bedaure es ausdrücklich, dass diese auf Ortskunde beruhende Tatsachenlage der Sitzungsvertreterin der Beklagten nicht habe nähergebracht werden können.
Gegen das ihr am 15.1.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.1.2020 Berufung eingelegt.
Sie ist der Auffassung, dass sich die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls auf einem unversicherten Abweg befunden habe. Erst mit dem Erreichen ...