Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertrags(zahn)arzt. Zulassungsentziehung. Vorliegen einer gröblichen Pflichtverletzung. fortgesetzte unwirtschaftliche Behandlungs- und Verordnungsweise. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Prüfgremien. Wahl der Prüfmethode. Bestimmung der Grenzwerte beim statistischen Kostenvergleich. offensichtliches Missverhältnis
Orientierungssatz
1. Eine gröbliche Pflichtverletzung iS von § 95 Abs 6 SGB 5 liegt vor, wenn durch sie das Vertrauen der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen insbesondere in die ordnungsgemäße Behandlung und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen durch den Arzt so gestört ist, dass diesen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Arzt nicht zugemutet werden kann (vgl zB BSG vom 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 = BSGE 66, 6 = SozR 2200 § 386a Nr 24 mwN).
2. Eine über Jahre fortgesetzte unwirtschaftliche Behandlungs- und Verordnungsweise stellt eine gröbliche Verletzung vertrags(zahn)ärztlicher Pflichten dar. Dies gilt unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erst recht dann, wenn zuvor versucht worden ist, den Vertrags(zahn)arzt durch Disziplinarmaßnahmen zur Erfüllung seiner vertrags(zahn)ärztlichen Pflichten anzuhalten (vgl ua BSG vom 15.4.1986 - 6 RKa 6/85 = BSGE 60, 76 = SozR 2200 § 368a Nr 15).
3. Der Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Prüfgremien erstreckt sich im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung auch darauf, die Prüfmethode zu wählen sowie bei einem statistischen Kostenvergleich die Grenzwerte zu bestimmten, ab welchen die Kostenüberschreitung des geprüften Arztes bzw Zahnarztes die Annahme eines offensichtlichen Missverhältnisses zu den Durchschnittswerten der Vergleichsgruppe erlaubt und damit der Vermutung einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise begründet.
4. Bei welchen prozentualen Überschreitungszahlen der Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses beginnt, lässt sich nicht generell bestimmen. Dabei sind Überschreitungen von mehr als 50 % jedenfalls als offensichtliches Missverhältnis anzunehmen.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Entziehung der Zulassung der Klägerin zur kassenzahnärztlichen Versorgung.
Die im Jahre 1948 geborene Klägerin wurde durch Beschluss des Zulassungsausschusses für Zahnärzte vom 03.02.1984 zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit zugelassen. Am 08.07.1985 nahm sie ihre vertragszahnärztliche Tätigkeit in D auf. Durch Beschluss vom 24.06.1997 entzog der Zulassungsausschuss für Zahnärzte der Klägerin auf den Antrag der Beigeladenen zu 1) vom 12.02.1997 und den gemeinsamen Antrag der Beigeladenen zu 2) bis 7) vom 30.01.1997 der Klägerin die Zulassung mit sofortiger Wirkung wegen gröblicher Verletzung der vertragszahnärztlichen Pflichten. Zur Begründung führte der Zulassungsausschuss im Wesentlichen aus, die über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren in jedem Abrechnungsquartal von den Prüfungsausschüssen vorgenommenen Kürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise wiesen eine auf Dauer angelegte nachhaltige Störung der Ordnung der vertragszahnärztlichen Versorgung nach und beschädigten zugleich nachhaltig das für das Funktionieren des vertragszahnärztlichen Versorgungssystems notwendige Vertrauensverhältnis im Beziehungsgeflecht zwischen der Klägerin und den Beigeladenen. Es komme dabei nicht darauf an, dass alle Prüfbescheide bestands- oder rechtskräftig geworden seien, da ein Vergleich der in den einzelnen Jahren und Quartalen gekürzten Abrechnungspositionen eine gleichmäßige Verhaltensweise aufzeige, die sich über einen Zeitraum von 10 Jahren nicht geändert habe. Spätestens seit Rechtskraft der Kürzungsbescheide über die Jahre 1986 bis einschließlich 1988 durch den Nichtzulassungsbeschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.11.1993 (Az. 14a BKa 12/93) habe sich die Klägerin nicht mehr darauf berufen können, dass die Kürzungsbeschlüsse nicht gerichtsfest seien.
Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17.08.1999 zurück. Ergänzend zur Begründung des Ausgangsbescheides führte der Beklagte aus, die Entziehung dürfe nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erst dann erfolgen, wenn nicht mehr zu erwarten sei, dass der Arzt auf andere Weise zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner kassenärztlichen Pflichten angehalten werden könne. Gegen die Klägerin sei wegen ständigen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot in den Quartalen III/95 bis II/98 eine Geldbuße in Höhe von 5.000,- DM verhängt worden. Das Sozialgericht für das Saarland (SG) habe diese Maßnahme des Disziplinarausschusses bestätigt. Auch dieses Disziplinarverfahren sei nicht in der Lage gewesen, das Verhalten der Klägerin auf dem Sektor des Wirtschaftlichkeitsgebots zu ändern. Spätestens seit der Entscheidung des BSG zu den Quartalen III/85 bis II/89 hätte der Klägerin klar werden müssen, dass ihr Abrechnungsverhalten nicht zu rechtfertigen sei. Insoweit komme es nach Auffassung des Beklagten nicht darauf an, da...