Verfahrensgang
SG für das Saarland (Urteil vom 21.02.2001; Aktenzeichen S 1 KR 116/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil desSozialgerichts für das Saarland vom21.02.2001 aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger wegen seiner Behinderung von der Beklagten ein Zusatzdisplay zu dem bewilligten Vorlesesystem beanspruchen kann.
Der … geborene Kläger ist auf Grund einer angeborenen Optikusatrophie erblindet. Er beantragte im Januar 1999 unter Vorlage einer augenärztlichen Bescheinigung von Dr. K., als Leistung der Krankenversicherung das geschlossene Vorlesegerät „Poet-Braille”. Der beigefügte Kostenvoranschlag der Baum Elektronik GmbH wies eine Gesamtsumme von 23.826,40 DM aus; außer einem Flachbettscanner und einer Sprachausgabe war hierin auch ein Braille-Zusatzdisplay enthalten. Dieses Display ermöglicht es, einen vom Computer per Scanner eingelesenen Text in vibrierenden Blindenschriftzeichen wiederzugeben, die der Blinde ertasten kann.
Die Beklagte stellte sich nach Rückfragen bei Dr. K. und dem Kläger selbst auf den Standpunkt, das Zusatzdisplay sei für eine ausreichende Versorgung nicht notwendig. Sie bewilligte in der Folgezeit das Vorlesegerät „Poet” ohne Brailledisplay und übernahm die Kosten in Höhe von 8.769,60 DM.
Ende April 1999 beantragte der Kläger unter Vorlage einer augenärztlichen Bescheinigung der Dres. H., D. erneut die Versorgung mit dem Brailledisplay; der Kostenvoranschlag der Baum Elektronik GmbH wies 14.964,– DM aus. Nach Rückfragen bei der Baum Elektronik GmbH sowie den Dres. H. lehnte die Beklagte mit Bescheid ohne Rechtsbehelfsbelehrung vom 27.12.1999 die Kostenübernahme für das Brailledisplay ab. Nach der augenärztlichen Auskunft komme der Kläger mit dem vorhandenen Vorlesegerät sehr gut zu Recht. Die Lieferfirma habe mitgeteilt, daß Arzneimittelbeipackzettel, Kontoauszüge und Telefonbücher gut verarbeitet werden könnten. Nach der Stellungnahme von Dr. H. sei das Zusatzdisplay allein zum besseren Erlernen der deutschen Rechtschreibung notwendig. Hierfür sei aber der Krankenversicherungsträger nicht leistungspflichtig.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 17.05.2000 aus den Gründen des Ursprungsbescheides zurückgewiesen.
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat der Klage mit Urteil vom 21.02.2001 stattgegeben. Es hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, den Kläger mit einer Braillezeile zum Vorlesegerät „Poet” zu versorgen, und ihr die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Zur Begründung hat es unter Darlegung der Voraussetzungen des § 33 5. Sozialgesetzbuch – gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) im Wesentlichen ausgeführt, die Braillezeile sei weder ein allgemeiner Gebrauchsgegenstand noch nach § 34 SGB V ausgeschlossen. Sie sei grundsätzlich ein erforderliches Hilfsmittel zum Ausgleich einer Behinderung im Sinn der zweiten Alternative des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V (Hinweis auf Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.04.1998, Az.: B 3 KR 6/97 R). Die Braillezeile sei ein sonstiges Hilfsmittel, da der Hilfsmittelbegriff im Sinn der zweiten Alternative als Ausgleich der Behinderung auch den ersetzenden Ausgleich umfasse. Durch die Braillezeile werde das Grundbedürfnis des Klägers auf umfassende Information ausgeglichen (so BSG a.a.O.). Da schließlich der Kostenaufwand kein Grund sei, ein als notwendig erkanntes Hilfsmittel zu verweigern, sei die Beklagte verpflichtet, den Kläger mit der beantragten Braillezeile zum Vorlesegerät „Poet” zu versorgen.
Gegen das am 15.03.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 26.03.2001 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt.
Sie wiederholt ihr Vorbringen, die begehrte Braillezeile unterfalle nur dann ihrer Leistungsverpflichtung, wenn der behinderte Versicherte ohne das Zusatzdisplay nicht in der Lage sei, im Rahmen des Grundbedürfnisses auf Information Schriftstücke zu lesen. Sowohl die Lieferfirma als auch Dr. H. hätten aber mitgeteilt, daß hierfür das bewilligte Vorlesegerät ausreiche und der Kläger mit ihm sehr gut zu Recht komme. Da der Kläger das Zusatzdisplay benötige, um die deutsche Rechtschreibung zu erlernen oder zu verbessern, sei die Krankenversicherung nicht leistungspflichtig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 21.02.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend vor, durch die Braillezeile könne er seine Kenntnisse in der deutschen Sprache in Wort und Schrift verbessern. Da er Spätaussiedler sei, sei dies für seine soziale berufliche Integration von grundlegender Bedeutung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten; der Inhalt der Beiakte war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungs...