Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungswahl. Wahlausschreibung. wirksame Einreichung einer Vorschlagsliste. Erfordernis eines Unterschriftenquorums. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit. Verfassungsmäßigkeit. Ungültigkeit einer Vorschlagsliste. Mängel. Ungeeignetheit von Unterstützerunterschriften. Fristen zur Fehlerbeseitigung. Verantwortung der Einreicher der Vorschlagsliste

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in § 48 Abs 4 S 2 Nrn 1-3 SGB IV normierten Ausnahmen vom Erfordernis eines Unterschriftenquorums für die wirksame Einreichung einer Vorschlagsliste zur Sozialwahl bei der beklagten Rentenversicherung beziehen sich auf die konkrete Vertreterversammlung. Dass die Kläger bereits in Vertreterversammlungen anderer Sozialleistungsträger vertreten sind, macht ein Unterschriftenquorum daher nicht entbehrlich.

2. Das in § 48 Abs 2 SGB IV enthaltene Unterschriftenquorum ist mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit vereinbar (vgl BSG vom 8.9.2015 - B 1 KR 28/14 R = SozR 4-2400 § 48 Nr 2 und vom 16.12.2003 - B1 KR 26/02 R = BSGE 92, 59 = SozR 4-2400 § 48 Nr 1).

3. Die SVWO unterscheidet grundsätzlich zwischen ungültigen und solchen Vorschlagslisten, die lediglich Mängel aufweisen, die innerhalb einer Mängelbeseitigungsfrist behoben werden können. Entspricht die eingereichte Vorschlagsliste nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, so ist sie ungültig (§ 23 Abs 2 SVWO) und kann nur bis zu der in § 14 SVWO bestimmten Einreichungsfrist neu eingereicht werden.

4. Unterstützerunterschriften, die von Personen geleistet wurden, die weder nach § 50 SGB IV wahlberechtigt noch nach § 51 Abs 1 S 2 SGB IV wählbar sind (fehlende "Gruppenzugehörigkeit"), müssen vom zuständigen Wahlorgan zurückgewiesen werden. Dieses hat insoweit ein Prüfungsrecht, das auch zum Abgleich der von den Unterstützern der Vorschlagsliste angegebenen Versicherungsnummern mit dem vorhandenen Stammdatensatz berechtigt.

5. Bei Ungeeignetheit von Unterstützerunterschriften wegen fehlender Gruppenzugehörigkeit der Unterzeichner und auch bei den nicht entsprechend dem Muster nach Anlage 4 zur SVWO formgerecht eingereichten Unterschriftslisten liegen keine "behebbaren Mängel" iSd § 22 Abs 4 SVWO vor. Eine Nachfrist zur Mängelbeseitigung kann insoweit nicht eingeräumt werden, da dies eine durch das Wahlorgan gewährte Verlängerung der gesetzlich bestimmten Einreichungsfrist des § 14 SVWO bedeuten würde, wofür eine gesetzliche Grundlage fehlt.

6. In erster Linie sind die Einreicher der Vorschlagsliste dafür verantwortlich, die Vorschlagslisten so rechtzeitig einzureichen, dass eine ordnungsgemäße Prüfung durch das zuständige Wahlorgan und eine Fehlerbeseitigung durch die Listenverantwortlichen innerhalb der nach der SVWO geltenden Fristen möglich ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.05.2017; Aktenzeichen B 13 R 240/16 B)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 30.07.2014 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten auch des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird festgelegt auf 5.000,-- Euro.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gültigkeit der am 01.06.2011 durchgeführten Wahl zur Vertreterversammlung der Beklagten nach Zurückweisung und Nichtzulassung der gemeinsamen Vorschlagsliste der Kläger.

Die Kläger bilden als jeweils im Vereinsregister eingetragene Vereine eine gewerkschaftsunabhängige Interessengemeinschaft für ihre Mitglieder und beteiligen sich an Sozialversicherungswahlen. Gemäß der 4. Bekanntmachung des Bundeswahlbeauftragten vom 27.01.2010 wurde für die Kläger die allgemeine Vorschlagsberechtigung iSd § 48c Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) festgestellt. Die Kläger waren und sind in der Vertreterversammlung der Beklagten nicht vertreten.

Mit Schreiben vom 09.11.2010, bei der Beklagten eingegangen am 12.11.2010 (Freitag), übersandten die Kläger dem Wahlausschuss für die Sozialwahl 2011 bei der Deutschen Rentenversicherung Saarland (Beklagte) eine gemeinsame Vorschlagsliste nebst zunächst 273 Unterstützerunterschriften und begehrten die Zulassung zur am 01.06.2011 durchzuführenden Sozialwahl bei der Beklagten (Kennwort: TK-Gemeinschaft). Zusammen mit der am 18.11.2011 (Donnerstag) ergänzend eingereichten weiteren Unterschriftsliste wurden insgesamt 335 Unterstützerunterschriften vorgelegt.

Das Selbstverwaltungsbüro der Beklagten leitete die Vorschlagsliste mit den Unterstützungsunterschriften am 15.11.2010 (Montag) bzw. am 19.11.2010 an ihre Abteilungen 3 und 4 weiter und bat um Prüfung des Vorliegens der zum Zeitpunkt des Tages der Wahlausschreibung durch den Bundeswahlbeauftragten am 01.04.2010 (Stichtag) erforderlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen der Unterstützer, unter Einbeziehung einer möglichen Zugehörigkeit zur Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung (HZV). Nach dem durch einen Abgleich mit dem Stammdatensatz der Versicherungskonten gewonnenen Ergebnis wurden die Voraussetzungen der Wählbarkeit bzw. des Wahlrechts iSv §§ 48, 50, 51 SGB IV ...

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