Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs

 

Orientierungssatz

1. Ein Prozessvergleich mit nicht nur materiell-rechtlicher, sondern auch prozessbeendender Wirkung gilt nur dann als wirksam geschlossen, wenn in der Niederschrift vermerkt ist, dass der Vergleich vorgelesen oder zur Durchsicht vorgelegt und genehmigt worden ist. Ein Vermerk, der Vergleich sei laut diktiert und genehmigt worden, reicht hierfür nicht aus.

2. Die Aufnahme eines Widerrufvorbehalts in den Vergleich stellt sich als Aufnahme einer aufschiebenden Bedingung in die abgegebenen Erledigungserklärungen dar. Weil eine übereinstimmende Erledigungserklärung als Prozesshandlung bedingungsfeindlich ist, ist ein solcher Prozessvergleich unwirksam.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Beiträgen zur Sozialversicherung.

Die Klägerin ist eine Tochterfirma der deutschen Reederei S. und beschäftigt sich u.a. damit, Seeleute (überwiegend ausländischer Staatsangehörigkeit) für Einsätze auf unter deutscher Flagge fahrenden Schiffen der Reederei S. anzuheuern. In der Vergangenheit war zwischen der insoweit als Einzugsstelle zuständigen Seekrankenkasse als Rechtsvorgängerin der Beklagten und anderen Tochterfirmen der Reederei S. verschiedentlich streitig, ob die von ausländischen Tochterfirmen angeheuerten Seeleute nach deutschem Recht sozialversicherungspflichtig waren und wen die Zahlungspflicht als Arbeitgeber traf. Die im Oktober 1991 gestellten Anträge zweier anderer Tochterfirmen der Reederei S. auf Beitragserstattung blieben ohne Erfolg (Senatsurteile vom 20.4.2005, L 1 KR 16/04, und vom 30.7.2008, L 1 KR 76/05).

Die Klägerin stellte nach eigenen Angaben der Reederei S. in der Zeit zwischen Januar 1977 und April 1982 mehrere b. und i. Staatsangehörige als Funker zur Verfügung sowie in der Zeit von August 1980 bis November 1982 mehrere p. Staatsangehörige als Seeleute und entrichtete hierfür Sozialversicherungsbeiträge (auch zur gesetzlichen Unfallversicherung) an die See-Krankenkasse. Jedenfalls hinsichtlich der p. Seeleute erklärte die See-Krankenkasse in diesem Zusammenhang, sie habe Kenntnis davon, dass die Klägerin die Beiträge nur unter Vorbehalt zahle, und sei bereit, die für die Zeit ab dem 1. Mai 1980 entrichteten Beiträge zu erstatten, wenn in dem Beitragsstreitverfahren zwischen der Reederei S. und der Beklagten "rechtskräftig entschieden werden sollte, dass die von ihnen für die Reederei beschafften Besatzungsmitglieder nicht nach deutschen Rechtsvorschriften sozialversichert sind." Auf die Erhebung der Verjährungseinrede werde verzichtet.

Zwei mit Schreiben vom 10. Oktober 1991 gestellte Erstattungsanträge (jeweils gesondert für die b. und i. Funker sowie für die p. Seeleute) lehnte die Beklagte mit zwei Bescheiden vom 9. September 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 1999 ab. Sie führte aus, es gelte deutsches Sozialversicherungsrecht. Die Beschäftigungsverhältnisse hätten - da die Klägerin ohne die erforderliche Genehmigung Arbeitnehmerüberlassung betrieben habe - zwischen den Arbeitnehmern und der Reederei S. bestanden, jedoch hafte die Klägerin insoweit für die Beiträge. Schließlich seien etwaige Erstattungsansprüche verjährt.

Hiergegen hat die Klägerin am 16. März 1999 Klage erhoben. In der Niederschrift über einen Termin zur Erörterung des Rechtsstreits am 20. September 2002 heißt es hierzu, die Beteiligten schlössen einen Vergleich, wonach die Beklagte der Klägerin einen Betrag von 14.120,- DM (umzurechnen in Euro) sowie ein Zwölftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten erstatte und die Klägerin die Klage im Übrigen zurücknehme. Weiter heißt es in der Sitzungsniederschrift, den Beteiligten werde das Recht eingeräumt, den Vergleich längstens bis zum 31. März 2003 (Eingang bei Gericht) zu widerrufen. Ein Vermerk in der Niederschrift, wonach dieser Vergleich von den erschienenen Vertretern der Beteiligten genehmigt worden sei, fehlt. Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 23. Juni 2003 um Fortgang des Verfahrens ersucht hatte, hat sich die Beklagte darauf berufen, sie habe mit Schreiben vom 28. März 2003 den Widerruf erklärt. Das Schreiben sei am selben Tag als einfacher Brief sowie per Fax versandt worden. Ein Sendebericht existiere nicht, jedoch ein Vermerk der Sachbearbeiterin (die eine entsprechende eidesstattliche Erklärung abgegeben hat). Zudem hat die Beklagte einen an sie adressierten Schriftsatz der Klägerin vom 31. März 2003 vorgelegt, in dem es heißt, ihr werde der an das Gericht adressierte Widerruf der Klägerin zur Kenntnis übermittelt. Die Klägerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, der Vergleich sei nicht wirksam widerrufen worden. Ihr ist daraufhin eine vollstreckbare Ausfertigung der Niederschrift vom 20. September 2002 erteilt worden.

Das Sozialgericht hat die inzwischen unter einem neue...

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