Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 4302. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis. Theorie der wesentlichen Bedingung. Einwirkung von Reinigungsmittelaerosolen. Atemwegserkrankung im Sinne eines Asthmas bronchiale. selbstgefährdendes Verhalten. falsche Verwendung des Reinigungsmittels. Raumpflegerin

 

Orientierungssatz

1. Zur bejahten Anerkennung einer Atemwegserkrankung im Sinne eines Asthmas bronchiale bei einer Raumpflegerin, die während ihrer Tätigkeit Einwirkungen von Reinigungsmittelaerosolen ausgesetzt war, als Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 4302.

2. Unbeachtlich ist dabei der Umstand, dass die Klägerin sich offenbar nicht an die ihr auch in entsprechenden Schulungen vermittelten Anweisungen, wie die Reinigungsmittel zu verwenden sind, gehalten hat. Der Gesetzgeber hat den Begriff des Arbeitsunfalls nämlich unabhängig vom Verschulden des Versicherten festgelegt. Insbesondere schließt nach § 7 Abs 2 SGB VII selbstgefährdendes oder verbotswidriges Verhalten den Versicherungsschutz grundsätzlich nicht aus, insbesondere nicht, wenn die Versicherte – wie im Streitfall – ausschließlich betriebliche Zwecke verfolgte (vgl BSG vom 10.12.1957 - 2 RU 270/55 = BSGE 6, 164; vom 5.8.1976 - 2 RU 231/74 = BSGE 42, 129 und vom 2.11.1988 - 2 RU 7/88 = BSGE 64, 159).

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob die Klägerin an einer Berufskrankheit nach der Nummer 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) (Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) erkrankt ist.

Die im Jahre 1953 geborene, seit 1. September 2016 Altersrente beziehende Klägerin war von 1989 bis 2016 als Raumpflegerin bei der ... RV in Hamburg beschäftigt. Im März 2012 leitete die Beklagte ein Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren ein und prüfte, ob bei der Klägerin eine Berufskrankheit (BK) nach BKV Nr. 4301 (Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen ≪ einschließlich Rhinopathie ≫, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) bzw. 4302 vorliege. Der Pneumologe und Allergologe Dr. B., bei dem sich die Klägerin seit 2008 in Behandlung befand, teilte der Beklagten auf deren Anfrage vom 2. März 2012 mit, dass die Klägerin unter anderem an einem persistierenden mittelgradigen Asthma bronchiale und einer chronischen Bronchitis leide. Es sei ein rekurrierender Verlauf des Asthmas zu erwarten.

Im Rahmen einer Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 10. Mai 2012 erklärte die Technische Aufsichtsbeamtin Z., dass in den Sanitärbereichen der DRV), (RV die Fußböden, WC-Becken, Urinale, Toilettenstühle, Kachel- und Trennwände, Türen, Waschbecken mit Ablagen, Toilettensitze, Türgriffe und Griffe der Spülvorrichtungen nass zu reinigen seien. Die Klägerin habe als Sanitärreiniger „MC“ und „TP“ für tägliche Reinigungsaufgaben benutzt. Zudem habe die Klägerin mindestens zwei Stunden Feuchtarbeit verrichtet.

Die Arbeitsmedizinerin der Beklagten H. kam in ihrer Stellungnahme nach Aktenlage vom 7. August 2012 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin als Raumpflegerin mit Produkten gearbeitet habe, die üblicherweise nicht in der Lage seien, eine bronchiale Hyperreagibilität oder ein Asthma bronchiale hervorzurufen. Da Luftnotanfälle laut medizinischer Unterlagen sowohl beim Umgang mit den Reinigungsmitteln als auch im privaten Kontakt, bei körperlicher Anstrengung oder im Rahmen von respiratorischen Infekten aufträten, sei ein eindeutig arbeitskongruenter Verlauf nicht zu erkennen.

Nach Anhörung der staatlichen Gewerbeärztin erließ die Beklagte am 7. September 2012 einen Bescheid über die Ablehnung einer BK nach den Nummern 4301/4302 BKV. Nach Auskunft der Abteilung „Prävention“ habe die Klägerin mit Produkten gearbeitet, die üblicherweise nicht in der Lage seien, eine bronchiale Hyperreagibilität oder ein Asthma bronchiale hervorzurufen. Es liege keine Allergie auf Berufsstoffe vor.

Mit ihrem am 5. Oktober 2012 dagegen eingelegten Widerspruch beanstandete die Klägerin, dass die arbeitstechnischen Ermittlungen unvollständig gewesen seien. Da die Reinigungsmittel z.B. die Arbeitshandschuhe zerfräßen, könnten diese nicht ungefährlich sein. Zudem seien früher noch wesentlich aggressivere Reinigungsmittel eingesetzt worden. Der Internist Bö. habe nach einer Lungenfunktionsprüfung eine kombinierte, vorwiegend restriktive Funktionsstörung mit deutlicher Obstruktion attestiert.

Die Technische Aufsichtsbeamtin Z. erklärte in einer weiteren Stellungnahme vom 21. Febr...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office enthalten. Sie wollen mehr?