Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhältnis von Mutterschutz und Entgeltfortzahlung
Orientierungssatz
1. Im Anwendungsbereich von § 11 MuSchG schließen sich die Annahme eines Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs 1 MuSchG und die Annahme einer Arbeitsunfähigkeit infolge Schwangerschaft gegenseitig aus (Anschluss: BSG, Urteil vom 22. Februar 2012, B 11 AL 26/10 R).
2. Der gegen den Arbeitgeber gerichtete Anspruch nach § 11 MuSchG setzt voraus, dass allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot einer Beschäftigung der Schwangeren entgegensteht, was nur bei einem normalen Schwangerschaftsverlauf zutrifft und die gesunde Schwangere während der Unterbrechung der Beschäftigung aus Gründen der Gefahrenvorsorge absichert.
3. Der Umstand, dass Gefährdungslagen nach § 3 Abs. 1 MuSchG und Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 EFZG (juris: EntgFG) häufig kumuliert vorliegen dürften, zwingt zu keiner anderen Abgrenzung.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Arbeitsentgelt und Arbeitgeber-Beitragsanteil, die sie für die Zeit vom 21. Mai 2007 bis zum 26. Juni 2007 an bzw. für die Versicherte einer Mitgliedskrankenkasse des Beklagten gezahlt hat, nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz, AAG).
Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum Arbeitgeberin der 1975 geborenen Frau B. (i.F.: Arbeitnehmerin), die bei der BKK, einer Mitgliedskrankenkasse des Beklagten, versichert war. Die behandelnde Gynäkologin bescheinigte der Arbeitnehmerin am 21. Mai 2007 und am 29. Mai 2007 Arbeitsunfähigkeit vom 21. Mai 2007 bis zum 29. Juni 2007. Die Klägerin zahlte während dieser Zeit weiter Arbeitsentgelt an die Arbeitnehmerin und führte auch Beiträge zur Sozialversicherung ab.
Einen Erstattungsantrag der Klägerin, den diese mit dem Vorliegen eines ärztlich festgestellten Beschäftigungsverbots begründet hatte, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13.11.2007 mit der Begründung ab, die Klägerin habe Entgeltfortzahlung gemäß § 3 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz, EFZG) geleistet, das nicht unter § 1 Abs. 2 AAG falle. Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs verwies die Klägerin auf ein Attest der behandelnden Gynäkologin, wonach die Arbeitnehmerin vom 21. Mai 2007 bis zum Entbindungstermin auf Grund einer Risikoschwangerschaft einem kompletten individuellen Beschäftigungsverbots nach dem Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz, MuSchG) unterlegen habe. Nachdem die behandelnde Gynäkologin auf Nachfrage der Beklagten dabei geblieben war, dass Arbeitsunfähigkeit bestanden habe, wies der Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 12. Juni 2008 zurück.
Am 10. Juli 2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht der behandelnden Gynäkologin eingeholt und diese schließlich als Zeugin vernommen. Die Zeugin hat ausgesagt, sie habe bei der Arbeitnehmerin im April 2007 eine vorzeitige Wehentätigkeit bei Insuffizienz der Cervix (d.h. des Gebärmutterhalses) festgestellt. Der Gesundheitszustand der Arbeitnehmerin, die unter unspezifischen Beschwerden mit Krämpfen und Schmerzen im Unterbach gelitten habe, sei in der Folge unverändert geblieben. Die Arbeitnehmerin habe sich körperlich nicht belasten dürfen und sei sowohl prognostisch als retrospektiv arbeitsunfähig gewesen.
Durch Urteil vom 22. November 2010 (der Klägerin zugegangen am 31.1.2011) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Anspruch der Arbeitnehmerin habe auf § 3 EFZG und nicht auf § 11 MuSchG beruht. Die Annahme eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG und einer Arbeitsunfähigkeit infolge Schwangerschaft schlössen einander nach ständiger und übereinstimmender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts aus. Der Anspruch nach § 11 MuSchG setze voraus, dass allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot einer Beschäftigung der Schwangeren entgegenstehe. An dem insoweit erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Beschäftigungsverbot und Unterbrechung der Beschäftigung fehle es hingegen, wenn die Schwangere wegen einer Krankheit arbeitsunfähig sei, auch wenn diese Krankheit in ursächlichem Zusammenhang mit der Schwangerschaft stehe. Zwar stelle die Rechtsauffassung der Klägerin sowohl die betroffenen Frauen als auch deren Arbeitgeber finanziell deutlich besser, jedoch bestehe die Funktion des § 11 MuSchG vorrangig darin, den Regelfall des § 3 EFZG für Schwangere dahingehend zu ergänzen, dass ausgehend von der konkreten Tätigkeit der Arbeitnehmerin ein vorbeugender Schutz der Schwangeren und des ungeborenen Kindes möglich sei, indem bereits vor Eintritt eine...