Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Nichtanwendung von Verjährungsvorschriften. vierjährige Ausschlussfrist. eingeschränkte gerichtliche Kontrolle der Entscheidungen der Prüfgremien

 

Orientierungssatz

1. Verjährungsvorschriften finden im ärztlichen Prüfwesen nach § 106 SGB 5 bzw nach den einschlägigen Prüfungsvereinbarungen keine Anwendung, soweit es um verschuldensabhängige Regresse oder um die endgültige Festsetzung des Honoraranspruchs geht. Dies führt allerdings nicht dazu, dass Regresse oder Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlichen Verhaltens zeitlich unbefristet festgesetzt werden können. Vielmehr muss der das Verfahren abschließende Bescheid innerhalb einer Ausschlussfrist von vier Jahren bekanntgegeben werden (Anschluss an BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 28).

2. Zur Unterbrechung, Hemmung und Verwirkung der vierjährigen Ausschlussfrist.

3. Die Prüfungsgremien haben im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung in mehrfacher Hinsicht Beurteilungs-, Schätzungs- und Ermessensspielräume, die dazu führen, dass die Prüfbescheide im Hinblick auf das Erfordernis fachkundiger Beurteilung der zugrunde liegenden Gegebenheiten nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.05.2011; Aktenzeichen B 6 KA 5/11 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise im Quartal IV/1994.

Der Kläger nimmt als Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten seit dem 1. April 1991 an der vertragsärztlichen Versorgung im Zuständigkeitsbereich der Beklagten unter der Praxisanschrift N.-Straße, zuletzt W.-Weg, Hamburg (-) teil. Er führt die Zusatzbezeichnung "Allergologie".

Mit gemeinsamem Prüfantrag vom 21. Juni 1995 begehrten die Beigeladenen bzw. deren Rechtsvorgänger die Prüfung der von dem Kläger ausgestellten Sprechstundenbedarfsverordnungen (ohne Impfstoffe) im Quartal IV/1994 nach Durchschnittswerten. Zur Begründung gaben sie an, diese überstiegen den Fachgruppendurchschnitt um 245 % je Fall (Fachgruppe = 3,03 DM/Fall, Praxis = 10,44 DM/Fall). Auf das Anhörungsschreiben des Prüfungsausschusses vom 18. Juni 1995 äußerte sich der Kläger nicht. Zur Vorbereitung einer Entscheidung des Prüfungsausschusses nahm der Prüfarzt/Berichterstatter zunächst eine Betrachtung der Statistik des Sprechstundenbedarfs unter Einschluss der drei Vorquartale vor und stellte insoweit reguläre Abweichungen fest, welche aus quartalsübergreifenden Schwankungen resultierten. So sei eine Anforderung, die im vierten Quartal getätigt worden sei, dem dritten Quartal zuzurechnen. Werde diese herausgenommen, ergebe sich aber noch immer ein Verhältnis von 7,21 DM/Fall zu 3,03 DM/Fall. Hiervon ausgehend finde sich die "die klassische Trilogie" aus Verbandmaterial mit dem höchsten Kostenanteil (2.556,52 DM), Nahtmaterial 972,48 DM und Externa wie Salben, Verödungsmittel und Antiseptika (2.482,45 DM). Beim Vergleich der angeforderten Mengen mit den abgerechneten Einzelleistungen ergäben sich Überschreitungen von 222 % beim Verbandmaterial. Beim Nahtmaterial überschritten die Anforderungen die tatsächlich vorgenommenen Eingriffe ebenfalls deutlich. Schließlich wären auch bei den Externa Einsparungen möglich, wenn kostengünstigere Präparate verwendet würden. Insgesamt bestehe ein offensichtliches Missverhältnis der Anforderungen zu den tatsächlich abgerechneten Leistungen. Der Prüfarzt/Berichterstatter empfahl, die Anforderung des Sprechstundenbedarfs so zu regressieren, dass noch eine Überschreitung von 100 % verbleibe.

Mit Beschluss vom 12. Dezember 1995 setzte der Prüfungsausschuss unter Zugrundelegung der Erhebungen des Prüfarztes/Berichterstatters einen Regress in Höhe von 42 % der Verordnungskosten (3.709,78 DM) fest. Es liege ein offensichtliches Missverhältnis zum Fachgruppendurchschnitt beim Sprechstundenbedarf vor. Dies habe sich nach Durchsicht der Verordnungen und dem Vergleich mit den laut Häufigkeitsstatistik abgerechneten Sachleistungen ergeben. Nach Abzug des prozentualen Regresses betrage der Falldurchschnitt 6,06 DM, überschreite damit den gewichteten Fachgruppendurchschnitt noch um 100 % und liege damit noch immer im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses.

Gegen den Beschluss erhob der Kläger Widerspruch, kündigte eine schriftliche Begründung an, gab diese in der Folgezeit aber nicht ab. Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom November und Dezember 2003 sowie Januar 2004 eine Verhandlung vor dem Beschwerdeausschuss an und gab dem Kläger weitere Gelegenheit zur Äußerung. Er bot Einsicht in seine Sachakte und die Übersendung von Kopien der Abrechnungsunterlagen an. Hierauf berief sich der Kläger auf Verjährung und den Ablauf von Ausschlussfristen sowie Verwirkung, kündigte an, dass er sich zur Sache nicht äußern werde und trug vor, er besitze nach so langer Zeit keine Unterlagen mehr und e...

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