Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung in Polen ausgeübter Beschäftigungen als Beitrags- oder Ausbildungszeiten nach dem FRG - Einordnung von Beitragszeiten nach Qualifikationsgruppen
Orientierungssatz
1. Nach § 22 Abs. 2 FRG sind Zeiten der Ausbildung als Lehrling oder Anlernling für jeden Kalendermonat mit 0,025 Entgeltpunkten zu bewerten. Ein Praktikum wird in § 22 FRG nicht ausdrücklich erwähnt. Überwiegt im Rahmen eines Praktikums der Ausbildungszweck, so ist dieses als Ausbildung i. S. des § 22 FRG anzusehen; wird dagegen überwiegend eine mit Arbeitnehmern vergleichbare Arbeitsleistung erbracht, so ist die Beschäftigung nach Qualifikationsgruppen zu bewerten.
2. In Polen zurückgelegte Beitragszeiten sind den Qualifikationsgruppen gemäß Anlage 13 SGB 6 zuzuordnen. Für diese werden Entgeltpunkte gemäß §§ 256 Abs. 1 S. 1, S. 2 und 9 SGB 6, 22 Abs. 1 S. 1 FRG ermittelt. Versicherte sind in eine dieser Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben.
3. In eine höhere Qualifikationsgruppe sind sie dann einzuordnen, wenn sie aufgrund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben haben, die üblicherweise denen von Versicherten einer höheren Qualifikationsgruppe entsprechen. Das Kriterium der langjährigen Berufserfahrung erfordert mindestens eine der formalen Ausbildungsdauer für diesen Beruf entsprechend lange Tätigkeit, bevor das Qualifikationsmerkmal des höheren Berufs erfüllt werden kann ( BSG Urteil vom 30. 7. 2008, B 5a R 114/07 R).
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Juni 2018 aufgehoben und die Klage ganz abgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die vom Kläger in Polen ausgeübte Beschäftigung in der Zeit vom 1. September 1969 bis zum 31. Oktober 1970 als Beitrags- oder Ausbildungszeit nach dem Fremdrentengesetz anzuerkennen ist. Ferner ist ebenfalls streitig, in welche Qualifikationsgruppe der Anlage 13 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Tätigkeit des Klägers wegen der in Polen zurückgelegten Beitragszeiten vom 1. November 1970 bis 18. Mai 1981 einzuordnen ist.
Der am ... April 1950 in Polen geborene Kläger besuchte von 1964 bis 1969 die technische Oberschule (Technikum) in Danzig und erlangte dort am 14. Juni 1969 die Qualifikation des Mechanotechnikers in der Fachrichtung Schiffsmaschinen- und Schiffsanlagenbau. Im Rahmen dieser Ausbildung absolvierte der Kläger nach seinen eigenen Angaben auch Praktika.
Im Anschluss war er vom 1. September 1969 bis zum 1. Oktober 1970 bei der Kriegsmarinewerft D. tätig. Diese Tätigkeit bezeichnete er selbst im Kontenklärungsverfahren als Praktikum. Die Vergütung betrug 1410 Zl. Der Arbeitsvertrag vom 3. September 1969 enthielt u. a. folgende Regelungen:
- § 1 Der Kläger verpflichtet sich, im oben genannten Betrieb als Schiffsmaschinenmonteur vom 1. September 1969 an zu arbeiten (...)
- § 2 Der Betrieb verpflichtet sich zu folgenden Leistungen zugunsten des Absolventen:
1. Den Absolventen als Schiffsmaschinenmonteur mit der Vergütung IV Gruppe und Prämie zu beschäftigen.
2. das Arbeitspraktikum des Absolventen:
(...) der Berufs- und Fachschulen gemäß Beschluss Nr. 196 des Ministerrates vom 13. Juni 1958 wird 12 Monate dauern.
Im Anschluss war der Kläger vom 1. November 1970 bis zum 21. April 1971 und vom 15. April 1973 bis 31. August 1973 an einer Berufsschule als technischer Oberreferent (Obersachbearbeiter) tätig. Vom 22. April 1971 bis zum 14. April 1973 absolvierte der Kläger seinen Wehrdienst. Danach war der Kläger vom 1. bis zum 6. September 1973 bei der Arbeitsgenossenschaft für Kesselbau der Zentralheizung Metalldienstleistungen als Technologe tätig und vom 18. September 1973 bis zum 4. Oktober 1973 als technischer Oberreferent in der Verwaltung. Vom 5. Oktober 1973 bis zum 30. September 1974 war er als Obertechnologe, vom 1. Oktober 1974 bis zum 30. Juni 1976 als selbständig arbeitender Mitarbeiter für technische Angelegenheiten und vom 1. Juli 1976 bis 31. März 1977 als selbständig arbeitender Einkäufer für die Werft Szczecin tätig. Vom 1. April 1977 bis zum 31. August 1977 war der Kläger als stellvertretender Leiter der Abteilung Materialwirtschaft, vom 1. September 1977 bis 31. Oktober 1979 als selbstständiger Angestellter für Materialwirtschaft und vom 1. November 1979 bis 17. Mai 1981 als Fachmann für Materialwirtschaft tätig. Anschließend übersiedelte der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland. Er ist als Spätaussiedler anerkannt.
Laut Bescheinigung der Stadt Hamburg vom 22. Januar 1982 steht die in Polen erlangte Qualifikation als Mechanotechniker dem Abitur gleich und berechtigt zum Studium an Fachhochschulen.
In dem von ihm beantragten Kontenklärungsverfahren gab der Kläger an, vom 1. September 1969 bis zum 31. Oktober 1970 als Praktikant tätig gew...