Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeldrecht. Einkommensermittlung. Verschiebung des Bemessungszeitraums. schwangerschaftsbedingte Erkrankung bei fehlendem Beschäftigungsverhältnis. erkrankungsbedingter Einkommensverlust. hypothetischer Verlauf. Annahme einer erfolgreichen Arbeitsplatzsuche. Orientierung an Arbeitsmarktsituation und Ausbildungsstand der Schwangeren
Orientierungssatz
1. Im Falle einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung während einer Zeit der Arbeitslosigkeit vor Geburt des Kindes ist zusätzlich auf einen hypothetischen Verlauf abzustellen und zu fragen, ob die Elterngeldberechtigte ohne die Schwangerschaft bzw die schwangerschaftsbedingte Erkrankung auch eine neue Arbeitsstelle hätte finden können, um ein Erwerbseinkommen zu erzielen (vgl LSG Celle-Bremen vom 22.8.2018 - L 2 EG 8/18 = ZFSH/SGB 2018, 722).
2. Wichtige Anhaltspunkte für die Feststellung eines krankheitsbedingten Einkommensverlustes sind die Arbeitsmarktsituation am Wohnort der Schwangeren und deren Ausbildungsstand.
Tenor
1. Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2018 wird abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 24. November 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2017 wird dahingehend abgeändert, dass der Klägerin Elterngeld unter Zugrundelegung eines Bemessungszeitraums von März 2015 bis Februar 2016 gewährt wird. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin 5/6 deren außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob der Klägerin höheres Elterngeld unter Verschiebung des Bemessungszeitraums aufgrund Einkommensverlusts durch schwangerschaftsbedingte Erkrankung zusteht.
Die 1982 geborene Klägerin ist approbierte Apothekerin und war seit 2009 am U. im Rahmen mehrerer zeitlich befristeter Arbeitsverträge als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt, zuletzt im Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis 31. Januar 2016. Seit dem 28. Januar 2016 war die Klägerin krankgeschrieben und bezog ab dem 1. Februar 2016 Krankengeld bis zum 25. August 2016, anschließend Mutterschaftsgeld in Höhe von kalendertäglich 66,28 Euro bis zum 2. Dezember 2016. Am 6. Oktober 2016 gebar sie ihre Tochter E.. Am 11. November 2016 beantragte sie bei der Beklagten Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer Tochter, mit der sie in einem gemeinsamen Haushalt lebte und die sie betreute. Sie gab bei Antragstellung an, dass sie aufgrund einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung weniger Einkommen erzielt habe.
Mit Bescheid vom 24. November 2016 bewilligte die Beklagte für den zweiten Lebensmonat Elterngeld in Höhe von 64,83 Euro und für den dritten bis zwölften Lebensmonat 648,24 Euro monatliches Elterngeld. Dabei legte sie als Bemessungszeitraum die Monate August 2015 bis Juli 2016 zugrunde, weshalb in den Monaten Februar 2016 bis Juli 2016 wegen des Krankengeldbezuges kein Einkommen für die Bemessung des Elterngeldes berücksichtigt wurde. Wegen des Bezuges von Mutterschaftsgeld entfiel der Anspruch auf Elterngeld im ersten Lebensmonat ganz, im zweiten Lebensmonat verminderte er den Anspruch entsprechend.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 20. Dezember 2016 Widerspruch ein. Ihrer Ansicht nach hätten die Monate Februar bis Juli 2016 nicht in die Berechnung miteinbezogen werden dürfen, da sie schwangerschaftsbedingt krankgeschrieben gewesen sei. Ohne die Erkrankung hätte entweder die Möglichkeit bestanden, dass der auslaufende Vertrag verlängert worden wäre oder sie eine andere Erwerbstätigkeit aufgenommen hätte.
Mit Bescheid vom 22. November 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, dass der Bemessungszeitraum korrekt festgelegt worden sei. Eine weitere Verschiebung käme im Falle der Klägerin nicht in Betracht. Wesentliche Bedingung für den Wegfall des Einkommens sei gewesen, dass der befristete Vertrag ausgelaufen sei. Ihre Einwendungen seien lediglich hypothetischer Natur.
Die Klägerin hat dagegen am 22. Dezember 2017 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Sie hat darauf hingewiesen, dass das Forschungsprojekt, für das sie eingestellt worden sei, nicht beendet gewesen sei, sondern habe fortgesetzt werden sollen. Bereits aus dem Arbeitszeugnis ergebe sich, dass sie weiterbeschäftigt worden wäre. Andernfalls hätte sie eine Stelle als approbierte Apothekerin oder Pharmazeutin gefunden. Aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit habe sie sich jedoch nicht arbeitsuchend melden können, da sie dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden habe. Es könne keinesfalls von einem hypothetischen Geschehensablauf die Rede sein. Ein Angebot auf Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrags seitens ihres alten Arbeitgebers könne sie nicht vorlegen, da sie bereits im Dezember 2015 angekündigt habe, aus persönlichen Gründen keine weitere Vertragsverlängerung anzustreben. Hintergrund hierfür sei eine für den 15. Januar 2016 geplante künstliche Befruchtung gewesen. Wäre die Schwangerschaft nicht sofort zustande gekommen, b...