Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Rechtmäßigkeit einer Auflage. tarifungebundener Leiharbeitgeber. Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz. Anwendung einer tarifvertraglichen Regelung aus der Zeitarbeitsbranche. fachlicher Geltungsbereich. Überwiegensprinzip bei Mischbetrieben. Tarifkonkurrenz. Tarifpluralität. Vereinbarkeit mit EGRL 104/2008. Tarifzuständigkeit. Tariftransparenz
Orientierungssatz
1. Ein tarifungebundener Arbeitgeber, der nur in Ausnahmefällen seine Arbeitnehmer an Dritte gewerbsmäßig zu Arbeitsleistung überlässt, ist berechtigt, in den Arbeitsverträgen mit seinen Leiharbeitnehmern die Geltung des Tarifvertrages Zeitarbeit BZA/DGB zu vereinbaren und damit vom Gleichstellungsgebot des § 3 AÜG abzuweichen.
2. Der Gesetzeszweck, auch tarifungebundenen Arbeitsvertragsparteien die arbeitsvertragliche Anwendung einschlägiger Tarifverträge zu ermöglichen, schließt es aus, bei der Ermittlung des fachlichen Geltungsbereichs auf eine vom Tarifvertrag geforderte Mitgliedschaft in der tarifschließenden Arbeitgebervereinigung oder Gewerkschaft abzustellen.
3. Für die hier Auslegung des § 3 Abs 1 Nr 3 S 3 AÜG hat die Frage, ob eine Tarifkonkurrenz oder eine Tarifpluralität hinzunehmen oder nach dem Grundsatz der Tarifeinheit aufzulösen sei, keine Bedeutung.
4. Ob die Ermächtigung des § 3 Abs 1 Nr 3 S 2 und 3 AÜG mit dem Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer iS von Art 5 Abs 4 EGRL 104/2008 sowie der Erwägungsgründe Nrn 16 und 17 vereinbar ist, ist umstritten.
5. Zur Frage der Unwirksamkeit der tariflichen Bestimmungen des TV Zeitarbeit BZA/DGB wegen fehlender Tarifzuständigkeit und fehlender Klarheit und Bestimmtheit.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Oktober 2013 abgeändert. Der Tenor dieser Entscheidung in der Hauptsache wird wie folgt gefasst: Es wird festgestellt, dass die der Klägerin mit Bescheid vom 7. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2010 erteilte Auflage zu 2 rechtswidrig gewesen ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Klägerin 1/10, die Beklagte 9/10. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitgegenstand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Auflage zu der der Klägerin erteilten befristeten Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung.
Vorgeschichte
Die Klägerin ist aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ihrer Gesellschafter H. und S. hervorgegangen. Gegenstände ihres Unternehmens sind nach ihrem Gesellschaftsvertrag nicht genehmigungspflichtige Tätigkeiten und die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. Die Klägerin betreibt nach ihren Angaben eine Event-Agentur (Planung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen), eine Vermittlung von Künstlern und Hostessen, Catering, Gebäudemanagement und einen Wach- und Sicherheitsservice. In bisher meist geringem, zeitlich und zahlenmäßig schwankendem Umfang überlässt sie Dritten gewerbsmäßig Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung. Dabei werden die Arbeitnehmer nur temporär ausgeliehen, in der Regel aber im Betrieb der Klägerin beschäftigt. Eine organisatorisch eigenständige Betriebseinheit/-abteilung zur Durchführung der Arbeitnehmerüberlassung existiert nicht. Die Klägerin ist seit 27. Mai 2003 im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gemäß § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), die bisher fortlaufend und jeweils befristet auf ein Jahr bis zum 26. Mai des Folgejahres verlängert wurde. In den von ihr verwendeten, inzwischen mehrfach geänderten Arbeitsvertragsmustern ist keine feste wöchentliche oder monatliche, sondern eine flexible, an die betrieblichen Bedürfnisse der Klägerin bzw. der Einsatzbetriebe angepasste Arbeitszeit mit Vereinbarungen zu Abweichungen von der vereinbarten Arbeitszeit durch Mehrarbeit, zur Arbeit auf Abruf und zum Ausgleich von Arbeitszeitabweichungen durch ein Arbeitszeitkonto vorgesehen. Darüber hinaus wird durch Vereinbarungen zur Einbeziehung der zwischen dem früheren Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA) - seit April 2011 nach Fusion mit einem weiteren Arbeitgeberverband umbenannt in Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP) - und einer Tarifgemeinschaft verschiedener Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) geschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag (MTV) Zeitarbeit, Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV) Zeitarbeit, Entgelttarifvertrag (ETV) Zeitarbeit, nachfolgend mit der jeweiligen Abkürzung als TV Zeitarbeit BZA/DGB bezeichnet) von dem seit dem 1. Januar 2004 in § 3 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 sowie in § 9 Nr. 2 Halbsatz 1 AÜG geregelten Gleichstellungsgebot ("Equal Pay/Equal Treatment") abgewichen.
Nach den von der Klägerin vorgelegten Vertragsmustern für das Jahr 2010 wurde zwischen ihr und ihren Arbeitnehm...