Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragszahnärztliche Versorgung. Garantiefunktion einer Abrechnungs-Sammelerklärung. Pauschalaufhebung von vertragszahnärztlichen Honorarbescheiden wegen einzelner Fehlabrechnungen erst ab 1.7.2018

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Garantiefunktion einer Abrechnungs-Sammelerklärung (vgl BSG vom 17.9.1997 - 6 RKa 86/95 = SozR 3-5550 § 35 Nr 1) setzt eine normative Grundlage in den Bundesmantelverträgen voraus.

2. Da eine solche normative Grundlage im BMV-Z erst seit dem 1.7.2018 vorhanden ist, kommt für den Bereich der Primärkassen eine Pauschalaufhebung von vertragszahnärztlichen Honorarbescheiden wegen einzelner Fehlabrechnungen für davor liegende Zeiträume nicht in Betracht; es bedarf einer individuellen Abrechnungsprüfung.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Schwerin vom 07. März 2017 abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Klage S 3 KA 58/15 hinsichtlich eines Kürzungs- und Erstattungsbetrages in Höhe von 31.131,42 € angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu 2/5, die Antragsgegnerin zu 3/5.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 12.863,52 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Umstritten ist eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der Honoraranforderungen des Antragstellers (AS) für konservierend-chirurgische Leistungen in den Quartalen IV/2010 bis III/2011 um insgesamt 51.454,06 €.

Durch Bescheid vom 23. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2015 nahm die Antragsgegnerin (AG) eine entsprechende Richtigstellung vor, weil sie von grob fahrlässigen Falschabrechnungen des AS in den einzelnen Quartalen ausging, indem er nicht erbrachte Leistungen abrechnete, da die Patienten entweder nicht in der Praxis gewesen seien oder Leistungen in der Patientenkartei nicht dokumentiert seien. Die Garantiefunktion der Bestätigung der ordnungsgemäßen Abrechnung durch den AS sei bereits dann insgesamt nicht mehr erfüllt, wenn nur ein mit ihr erfasster Abrechnungsschein eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthalte. Damit entfalle für sie die Verpflichtung, mehr als eine unrichtige Abrechnung pro Quartal nachzuweisen. Damit liege das Honorarrisiko auf Seiten des Vertragszahnarztes.

Hiergegen hat der AS am 14. Dezember 2015 Klage vor dem Sozialgericht Schwerin (SG) erhoben (S 3 KA 58/15) und zugleich einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gestellt. Zur Begründung seines Eilantrages hat er vorgetragen, die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17. September 1997 (6 RKa 86/95) sei nicht mehr einschlägig und könne nicht mehr zum Maßstab für sachlich-rechnerische Berichtigungsverfahren gemacht werden. Die AG habe sich schon nicht festgelegt, auf welcher Rechtsgrundlage sie sachlich-rechnerisch berichtigend tätig werde. Spätestens für Zeiträume seit dem 1. Juli 2008 könnten sich sachlich-rechnerische Berichtigungsverfahren allein noch nach den Bestimmungen des § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V und der nach § 106a Abs. 5 Satz 1 SGB V dazu vereinbarten “Plausi-Vereinbarung„ richten. Die alten bundesmantelvertraglichen Bestimmungen zum sachlich-rechnerischen Berichtigungsverfahren seien spätestens für Abrechnungszeiträume ab 1. Juli 2008 hinfällig geworden. Dazu gehöre insbesondere auch die auf diesen alten Bestimmungen beruhende Bedeutung der Abrechnungs-Sammelerklärung. Dabei nenne die AG in ihrem Widerspruchsbescheid vom 16. November 2015 insoweit ohnehin nur die Bestimmung des § 16 Abs. 2 EKV-Z und keine dementsprechende Bestimmung im Primärkassenbereich. Schon gar nicht könne die AG damit gehört werden, der “Gesamteindruck„ habe ihre Verwaltungsentscheidung geprägt, eine durchgehende Einzelfallprüfung sei “unzumutbar„ und die Neufestsetzung des Honorars im Wege der Schätzung sei die einzig “praktikable„ Möglichkeit. Eine derart belastende Verwaltungsentscheidung könne rechtsstaatlich korrekt nur auf der Grundlage einer gesetzlichen und einer darauf beruhenden untergesetzlichen Rechtsgrundlage und durch Subsumtion des von der Behörde zu ermittelnden Sachverhalts unter die einschlägigen Normentatbestände ergehen. Die AG nehme ohne jedes weitere Begründungselement einfach an, er - der AS - habe grob fahrlässig gehandelt. Dabei bleibe insbesondere unklar, worauf sich die Fahrlässigkeit bezogen haben solle. Richtigerweise stellten sich nach der neuen Gesetzes- und Vertragslage diese Fragen nur noch in Bezug auf seine Verpflichtung, seine Abrechnung in elektronischer Form zu übermitteln und deren Prüfung durch das BEMA-Modul zu ermöglichen. Insoweit sei ihm keinerlei Schuldvorwurf zu machen. Schließlich sei auch die im Wege der Schätzung vorgenommene Neufestsetzung des Honorars rechtswidrig. Die AG umschreibe nicht ansatzweise die tatsächliche Grundlage, auf der ihre Honorarschätzung erfolge. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage seien hier schon allein deshalb gegeben, weil die angef...

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