Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Einkommensermittlung. Bestimmung des Bemessungszeitraums. Berücksichtigung der Monate des Bezugs von Erziehungsgeld für ein älteres Geschwisterkind. keine analoge Anwendung von § 2 Abs 7 S 5 und S 6 BEEG aF. Familien mit mehreren Kindern. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Im Rahmen der Bemessung des Elterngelds sind Zeiten des Bezugs von Bundeserziehungsgeld nicht in entsprechender Anwendung des § 2 Abs 7 S 5 BEEG aF bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt zu lassen (vgl BSG vom 18.8.2011 - B 10 EG 10/10 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 9).
2. Im Hinblick auf ein möglichweise geringeres Erwerbseinkommen von Familien mit mehreren Kindern liegt kein Verstoß gegen Art 3 und Art 6 GG vor.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Anspruches auf Elterngeld.
Die 1974 geb. Klägerin stellte am 1. April 2008 einen Antrag auf die Gewährung von Elterngeld für ihre am 14. Februar 2008 geborene Tochter K. Die Klägerin und ihr Ehemann haben drei weitere Kinder, T., geb. 2000, A., geb. 2003 und F., geb. 2005. Für das Kind F. bezog die Klägerin Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) bis zur Vollendung des 24. Lebensmonats.
Im Zusammenhang mit der Geburt des Kindes K. erhielt die Klägerin Mutterschaftsgeld vom 9. Januar 2008 bis 16. April 2008 in Höhe von kalendertäglich 13,00 Euro. Der Arbeitgeber gewährte einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für die Zeit vom 9. Januar 2008 bis 29. Februar 2008 in Höhe von kalendertäglich 31,80 Euro und vom 1. März 2008 bis 16. April 2008 in Höhe von 32,83 Euro. In den letzten 12 Monaten vor Beginn der Mutterschutzfrist war die Klägerin erwerbstätig und bezog Einkommen aus nicht selbstständiger Tätigkeit als Physiotherapeutin in einem Krankenhaus. Ausweislich der Verdienstbescheinigungen des Arbeitgebers betrug der Bruttoverdienst in der Zeit vom Januar 2007 bis August 2007 aus einer geringfügigen Beschäftigung monatlich zwischen 364,00 Euro und 383,50 Euro, danach im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 30 Stunden/Woche im September 2007 1.877,68 Euro, im Oktober 2007 1.664,00 Euro, im November 2007 2.543,27 Euro und im Dezember 2007 2.063,36 Euro.
Durch Bescheid vom 3. April 2008 gewährte der Beklagte der Klägerin Elterngeld für die Zeit vom 14. Februar 2008 bis 13. Februar 2009 unter Anrechnung des erhaltenen Mutterschaftsgeldes bzw. des Zuschusses des Arbeitgebers ab 14. April 2008 in Höhe von 559,71 Euro und ab dem 14. Mai 2008 laufend in Höhe von monatlich 621,75 Euro. Der Berechnung legte der Beklagte die vom Arbeitgeber gemeldeten Verdienste aus den Monaten Januar bis Dezember 2007 zu Grunde.
Mit ihrem am 24. April 2008 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass durch das BEEG ihr Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt werde. Es liege eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Eltern vor, die ein höheres Elterngeld bewilligt und ausgezahlt bekämen. Insbesondere liege eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darin, dass zwar Monate des Elterngeldbezuges, nicht aber Monate des Erziehungsgeldbezuges bei der Bestimmung des Einkommenszeitraums außer Betracht blieben.
Durch Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies der Beklagte auf mehrere Entscheidungen des Bundessozialgerichts (B 10 EG 8/08 R, B 10 EG 1/08 R und B 10 EG 2/08 R). Die im BEEG § 27 Abs. 1 Satz 1 festgelegte Stichtagsregelung sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Elternzeit ohne Elterngeldbezug sei bei der Bestimmung der 12 Kalendermonate vor der Geburt, die bei der Bemessung des Elterngeldes für ein weiteres Kind der Einkommensermittlung zugrunde zu legen seien, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 5 und 6 (jetzt zusätzlich Satz 7) des § 2 Abs. 7 BEEG seien im Wortlaut eindeutig und abschließend. Hier werde der Bezug von Elterngeld für ein älteres Kind benannt, die Zurücklegung von Elternzeit ohne den Bezug von Elterngeld aber nicht.
Hiergegen hat die Klägerin am 11. Januar 2011 Klage vor dem Sozialgericht A-Stadt (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, der inzwischen vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ergangene Nichtannahmebeschluss vom 9. November 2011 (1 BvR 1853/11) entspräche ihrem Fall am ehesten. Dieser wie alle anderen zum Elterngeldgesetz ergangenen Nichtannahmebeschlüsse seien zwar in den jeweiligen Verfahren unanfechtbar, aber nicht im Sinne von § 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz bindend für andere Verfahren. Nach ihrer Auffassung sei das Sozialgericht an frühere Urteile des BVerfG gebunden. Hierzu hat die Klägerin auf die Entscheidungen vom 17. Januar 1957 (1 BvL 4/54) und vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, BVerfGE 105,1 (11), BVerfGE 107,27 (5...