Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Lehrer
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Nach der Rechtsprechung gilt für Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen, dass sie regelmäßig als abhängig Beschäftigte anzusehen sind (BAG Urteil vom 21. 11. 2017, 9 AZR 117/17).
3. Ist ein Lehrer in die Arbeitsorganisation der Schule eingegliedert und auf deren Sachmittel angewiesen, führt er die gleichen Arbeiten aus wie ein fest angestellter Lehrer und erfolgt die Vergütung nach einem vereinbarten Stundensatz, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
4. Dem widerspricht nicht, wenn für Abwesenheitszeiten ein Honoraranspruch entfällt und das Fehlen eines Urlaubsanspruchs.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 13. Dezember 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert wird auf 4.637,39 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Lehrerin für Musik mit Chorarbeit der Sozialversicherungspflicht als Beschäftigte für den Zeitraum vom 9. November 2010 bis 31. Dezember 2012 unterlag.
Die Klägerin ist Trägerin der allgemein bildenden ... Schule des Evangelischen Schulzentrums A-Stadt. Unter dem 8. November 2010 schlossen die Klägerin und die am ... Mai 1987 geborene Beigeladene zu 1. einen ersten „Honorarvertrag“, in dem es unter anderem hieß, die Beigeladene zu 1. (Studentin) erhalte für ihre selbstständige Tätigkeit in der ... Schule für Musikunterricht und für Chorarbeit ein Honorar in Höhe von 16,00 Euro pro Stunde für 7 Stunden pro Woche. In dem Honorarvertrag hieß es weiter, für Abwesenheitszeiten, zum Beispiel Krankheit, entfalle ein Honoraranspruch; der Honorarnehmer habe keinen Anspruch auf Urlaub. Der Vertrag gelte für den Zeitraum vom 9. November 2010 an bis (kein Eintrag). Eine voraussehbare Verhinderung sei rechtzeitig mitzuteilen. Die Steuern würden von der Beigeladenen zu 1. selbst entrichtet. Für beide Seiten bestehe das Recht, das Honorarverhältnis - ohne Einhaltung einer Frist - zu beenden. Weiter heißt es in § 7 der genannten Vereinbarung, dass durch diesen Vertrag ein Arbeits- oder Dienstverhältnis weder im arbeitsrechtlichen Sinne noch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht begründet werde.
Nachfolgend schlossen die Klägerin und die Beigeladene zu 1. zwei weitere Honorarverträge am 5. August 2011 und 27. Juli 2012 mit gleichem Inhalt, wobei das Honorar für 11 bzw. 13 Stunden vereinbart wurde. Diese Verträge waren jeweils für das Schuljahr befristet, zuletzt bis 21. Mai 2013.
Nach einer bei der Klägerin im Frühjahr 2013 durchgeführten Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) u.a. zur sozialversicherungsrechtlichen Feststellung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. erließ die Beklagte unter dem 20. Januar 2014 gegenüber der Klägerin zunächst einen Bescheid nach § 7 SGB IV mit falschen Daten bezüglich der ausgeübten Tätigkeiten und falschen Beschäftigungszeiten der Beigeladenen zu 1.. In dem Bescheid hieß es unter anderem, die durch die Betriebsprüfung eingeleitete sozialversicherungsrechtliche Feststellung führe nach Auswertung der bisher vorliegenden Unterlagen zu dem Ergebnis, dass die von der Beigeladenen zu 1. für die Klägerin ausgeübte Tätigkeit für die Zeit „vom 25. August 2008 bis 17. Juli 2009 als Religionslehrerin“ eine Beschäftigung gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV darstelle. Die Beigeladene zu 1. sei in diesen Zeitraum versicherungspflichtig zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung beschäftigt gewesen. Zur Begründung führte die Beklagte unter anderem aus, eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne sei gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV definiert als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Ob eine Tätigkeit abhängig oder selbstständig verrichtet werde, entscheide sich letztlich danach, welche Merkmale überwögen. Alle Umstände des Falles seien zu berücksichtigen. Hierbei sei die vertragliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten zu beachten; wichen die vertraglichen Regelungen jedoch von den tatsächlichen Verhältnissen ab, hätten letztere ausschlaggebende Bedeutung. Eine sich aus den tatsächlichen Verhältnissen ergebende Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialvers...