Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Höhe der Verletztenrente. MdE-Bewertung. Herabsetzung der MdE. funktioneller Körperschaden. Verlust des linken Beins. Ausgleich durch prothetische Versorgung. Oberschenkelamputation. C-leg-Prothese
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gebrauchsvorteile durch die Anpassung eines C-Leg rechtfertigen nicht die Herabsetzung der MdE nach § 48 SGB 10.
2. Revision anhängig unter B 2 U 11/15 R
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 29. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Rechtszüge.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Herabsetzung einer aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährten Verletztenrente.
Der 1981 geborene Kläger erlitt am 2. Juli 1998 einen von der Beklagten anerkannten Schulunfall, der zu einem Verlust des linken Beines im Bereich des Oberschenkels führte. Auf der Grundlage eines chirurgischen Gutachtens des Dr. G. vom 20. Oktober 1999 und eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens des Dipl.-Psych. H. vom 18. Oktober 1999 gewährte die Beklagte dem Kläger zunächst Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v. H. ab dem 26. August 1998.
In seinem Gutachten vom 9. Mai 2001 bewertete Dr. G. die Unfallfolgen des Klägers auf chirurgischem Fachgebiet weiterhin mit einer MdE von 60 v. H. Auf der Grundlage eines neurologischen Gutachtens des Dr. T. vom 3. Mai 2001 (Unfallfolgen: Zustand nach gedecktem Schädel-Hirn-Trauma III. Grades mit Kontusionseinblutungen , postkontusionelles Syndrom, Phantomschmerz) unter Einschluss eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens von Dipl.-Psych. L. wurde die MdE auf neurologischem Fachgebiet mit 15 v. H. beurteilt. Die Gesamt-MdE schätzte Dr. G. mit 70 v. H. ein.
Mit Bescheid vom 5. Juli 2001 gewährte die Beklagte dem Kläger Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 70 v. H. Als Folgen des Arbeitsunfalles erkannte sie an:
Nach Polytrauma mit unfallbedingtem Verlust des linken Beines im Bereich des Oberschenkels narbenbedingte Sensibilitätsstörungen im Bereich des Oberschenkelstumpfes, Phantomschmerzen nach Oberschenkelamputation sowie leichte Leistungseinschränkungen und Wahrnehmungsbeeinträchtigung nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma.
Der Kläger wurde von der Beklagten mit einer Prothese versorgt. Den Antrag des Klägers, ihm eine Oberschenkelprothese mit mikroprozessorgesteuertem Kniegelenk (C-Leg) zu gewähren, lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 8. Dezember 2004 ab. Dem Widerspruch des Klägers half die Beklagte sodann mit Bescheid vom 9. August 2005 ab, nachdem Dr. K. vom B. Unfallkrankenhaus H. (BUKH) in seinen Stellungnahmen vom 21. April und 23. Juni 2005 die Versorgung des Klägers mit einem C-Leg befürwortet hatte. Das C-Leg erhielt der Kläger im März 2006 (Übernahmeprotokoll vom 29. März 2006).
Die Beklagte führte die Stellungnahme ihres beratenden Arztes, des Unfallchirurgen Dr. L., vom 4. November 2005 herbei. Dieser wies darauf hin, dass Begutachtung in der gesetzlichen Unfallversicherung im Kern Funktionsbegutachtung sei. Somit seien Hilfsmittel jeder Art, sofern sie zu einer Funktionsverbesserung mit Auswirkungen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt führten, zu berücksichtigen. Dies gelte für Prothesen nach Gliedmaßenteilverlusten ebenso wie für Brillen, Kontaktlinsen, Hörgeräte und Medikamente. In den bindend anzuwendenden sog. MdE-Tabellen seien bisher - in allen Standardwerken - die Werte nach Gliedmaßenteilverlusten im Bereich der unteren Gliedmaßen unter Berücksichtigung herkömmlicher Prothesen aufgeführt. Die MdE-Erfahrungswerte bezögen sich also auf den Zustand eines Verletzten, der in der Lage sei, eine herkömmliche Unterschenkel- oder Oberschenkelprothese benutzen zu können. Es sei völlig unstreitig, dass die Versorgung mit einer C-Leg-Prothese zu einer ganz entscheidenden funktionellen Verbesserung des betroffenen Beines führe. Stand- und Gangsicherheit würden durch die Prothese enorm erhöht, so dass der Aktionsradius des Betroffenen mit dieser Prothese deutlich größer sei als mit einem herkömmlichen Kunstbein. Aufgrund der Nachversorgung des Klägers mit der C-Leg-Prothese sei eine Nachuntersuchung zu veranlassen, um die Befunde sorgfältig zu erheben. Träten keine Besonderheiten auf und sei das Ergebnis so wie dies das bisherige Testprotokoll erwarten lasse, sei die unfallbedingte „Einzel“-MdE zu mindern, aus seiner Sicht mindestens um 10, wenn nicht gar um 20 Prozent.
Sodann ließ die Beklagte den Kläger erneut begutachten. Auf der Grundlage eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens der Dipl.-Psych. D. vom 3. Januar 2007 und eines neurologischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. K. des Universitätsklinikums B-Stadt vom 29. Januar 2007 wurde die unfallbedingte MdE auf neurologischem Fachgebiet weiterhin mit 15 v. ...