Entscheidungsstichwort (Thema)

Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Erlaubnis. Geschäftsmäßig. Eignung. Zuverlässigkeit. Abwägung. Verhältnismäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

In Anbetracht der nach der gesetzgeberischen Einschätzung gewichtigen Interessen der Rechtssuchenden kann das Erfordernis der vorherigen Einholung einer Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG nur dann ausnahmsweise als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn die erforderliche Sachkunde - namentlich bei Volljuristen - offen zutage liegt oder außergewöhnliche Umstände ihre Einholung als unzumutbar erscheinen lassen.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1-2; SGG § 73 Abs. 6 S. 1, § 114 Abs. 2 S. 1; ZPO § 157 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 27. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vom Sozialgericht ausgesprochene Zurückweisung seiner Person als Prozessbevollmächtigter.

Der Beschwerdeführer ist Sozialversicherungsfachangestellter und hat ein Verwaltungsdiplom bei der Fachhochschule der Landesversicherungsanstalt H. erworben. Er war 40 Jahre lang bei Sozialversicherungsträgern beschäftigt.

Seit Jahren vertritt er Rechtsrat suchende Bürger, nach eigenen Angaben insbesondere Beschäftigte aller deutschen und ausländischen Werke der I.. Über eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz verfügt er nicht.

Am 7. März 2005 erhob er im vorliegenden Verfahren im Namen des Klägers und unter Beifügung einer entsprechenden Vollmacht Klage gegen einen Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28. Februar 2005.

Nach vorheriger Anhörung wies das Sozialgericht den Beschwerdeführer mit Beschluss vom 27. Juni 2005 als Bevollmächtigten gestützt auf § 73 Abs. 6 S. 1 SGG i.V.m. § 157 ZPO zurück. Der Beschwerdeführer, der auch in anderen Verfahren vor dem Sozialgericht aufgetreten sei, besorge geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten, obwohl er weder Rechtsanwalt sei noch über eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz (RBerG) verfüge. Im Interesse derjenigen, die sich der im RBerG vorgesehenen Eignungs- und Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen würden und den Vorgaben insbesondere der Zweiten Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatergesetzes (2. RBerAusfVO) hinsichtlich der Berufsausübung und der behördlichen Aufsicht genügen müssten, sei eine enge Auslegung des Begriffs der Geschäftsmäßigkeit erforderlich. Insbesondere die bewusste Nichtanerkennung der sich aus dem RBerG ergebenden Pflichten begründe auch unter Berücksichtigung der vom BVerfG im Beschluss vom 29. Juli 2004 (NJW 2004, 2662) dargelegte Auslegungsgrundsätze die Unzulässigkeit der vom Beschwerdeführer betriebenen geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten.

Gegen diesen ihm am 7. Juli 2005 zugestellten Beschluss richtet sich die von dem Beschwerdeführer am 26. Juli 2005 eingelegte Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er nur unentgeltlich tätig werde und schon deshalb das Gebühreninteresse von Erlaubnisinhabern nicht ernsthaft beeinträchtigen könne. Rechtsinteressen der von ihm vertretenen Bürger könnten ohnehin nicht ernsthaft gefährdet werden, wenn sich diese in Rechtsangelegenheiten sehenden Auges ihm als einem bekanntermaßen nicht zur geschäftsmäßigen Besorgung von Rechtsangelegenheiten zugelassenen Bürger anvertrauen würden.

Ohnehin missachte das Sozialgericht die vom BVerfG im Beschluss vom 29. Juli 2004 aufgestellten Vorgaben. Es habe die gebotene Abwägung zwischen den vom RBerG geschützten öffentlichen Belangen und seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG versäumt. Ebenso wenig habe es die schützenswerten Interessen des Klägers angemessen berücksichtigt.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde (zur Beschwerdebefugnis des zurückgewiesenen Bevollmächtigten vgl Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 73 Rn 11b) hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat zu Recht den Beschwerdeführer in entsprechender Anwendung der zwingenden Rechtsvorschrift des § 157 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 73 Abs. 6 S. 1 SGG zurückgewiesen, da dieser geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgt, ohne als Rechtsberater nach Art. 1 § 1 RBerG oder als Rechtsanwalt zugelassen zu sein.

Über den unmittelbaren sich auf "Verhandlungen" beziehenden Wortlaut des § 157 Abs. 1 ZPO hinaus ist anerkannt, dass ein die Vorgaben des Art. 1 § 1 RBerG missachtender Prozessbevollmächtigter durch konstitutiv wirkenden Beschluss generell vom weiteren Verfahren auszuschließen ist, sobald das Gericht von dem Verstoß Kenntnis erlangt (BVerfG, NJW 2004, 1373 mwN; Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 73 Rn 11d; vgl. auch BGH, NJW 2004, 839, 840: nach der Ziel...

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