Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. zulässiger Rechtsweg. Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers gemäß § 116 Abs 7 SGB 10. Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswegzuweisung. öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Sozialleistungsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
Bei dem Erstattungsanspruch nach § 116 Abs 7 S 1 SGB 10 handelt es sich um einen speziell geregelten sozialrechtlichen Erstattungsanspruch und damit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für den die Sozialgerichte zuständig sind. Die Pflicht eines Geschädigten, den wegen der Leistung des Schädigers bzw Haftpflichtversicherers nicht benötigten Teil der Sozialhilfe zurückzugewähren, gründet in dem zwischen Leistungsempfänger und Sozialhilfeträger bestehenden Sozialleistungsverhältnis.
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 9. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht wird zugelassen.
Gründe
Die gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 17a Abs 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) statthafte Beschwerde ist zulässig.
Sie ist nicht begründet, weil das Sozialgericht (SG) Stade in dem vorliegenden Rechtsstreit wegen der geltend gemachten Ansprüche aus § 116 Abs 7 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zu Recht den Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß § 17a Abs 3 Satz 1 GVG ausgesprochen hat.
Der am 25. Februar 1993 geborene Beklagte wurde bei seiner Geburt durch die Geburtshelfer - die Beigeladenen zu 3. und 4. - schwerst geschädigt. Von dem Kläger erhielt er auf Antrag seiner Eltern Sozialhilfeleistungen ab dem 1. Januar 1994 (Eingliederungshilfe für Frühförderung und den Besuch eines heilpädagogischen Kindergartens sowie einer Tagesbildungsstätte). Die Sozialhilfeleistungen wurden bis zum 30. September 2004 bewilligt und ausgezahlt. Nach einer Aufstellung des Klägers belaufen sich die Eingliederungshilfeleistungen auf insgesamt 189.527,76 €.
Der Beklagte - vertreten durch seine Eltern - schloss mit den Haftpflichtversicherern - den Beigeladenen zu 1. und 2. - seiner Schädiger einen Abfindungsvergleich vom 1. Februar 1999, wonach ihm wegen der bei der Geburt erlittenen Schädigungen ein Betrag von 2.100.000,00 DM ausgezahlt wurde. Der Kläger wurde über diesen Abfindungsvergleich zunächst nicht unterrichtet. Nachdem er davon erfahren hatte, wurden die Sozialhilfeleistungen ab dem 1. Oktober 2004 eingestellt, Zahlungen erfolgten seitdem nicht mehr. Der Kläger war nunmehr bestrebt, seine Sozialhilfezahlungen vom Beklagten bzw den Haftpflichtversicherern - erfolglos - zurückzuerhalten.
Der Kläger hat am 29. Dezember 2005 Klage beim SG Stade erhoben "wegen Ansprüche gegen Schadensersatzpflichtige gemäß § 116 Abs 7 SGB X". Die Klage richtet sich gegen den am 25. Februar 1993 geborenen H. I. als Beklagten. Die Forderung lautet auf Zahlung des Betrages von 189.527,76 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. Der Kläger vertritt die Ansicht, dass für die Ansprüche aus § 116 Abs 7 SGB X der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben sei. Dem treten der Beklagte und die Beigeladenen zu 1. und 2 entgegen; die fragliche Forderung müsste vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden. Die Beigeladenen zu 3. und 4. haben sich nicht geäußert.
Das SG hat mit Beschluss vom 9. Oktober 2008 den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für zulässig erklärt. Die Vorabentscheidung beruhe auf § 17a Abs 3 GVG. Die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit folge aus § 51 Abs 1 Nr 6a SGG. Der streitgegenständliche Anspruch sei öffentlich-rechtlicher Natur. Zwar seien die nach § 116 Abs 1 SGB X auf den Sozialversicherungsträger bzw den Träger der Sozialhilfe übergegangenen Ansprüche grundsätzlich zivilrechtlicher Art. Der vom Kläger geltend gemachte Erstattungsanspruch gemäß § 116 Abs 7 Satz 1 SGB X habe seine Grundlage jedoch maßgeblich im Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Leistungsempfänger. Er bilde die Umkehrung bzw das Gegenstück des zwischen ihnen bestehenden Leistungsverhältnisses. Es bestehe keine Veranlassung und sei auch nicht sachgerecht, den Leistungsanspruch und den sich hieraus ergebenden Erstattungsanspruch unterschiedlichen Rechtswegen zuzuordnen. Hinzu käme, dass der Anspruch zwar dem zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch des § 816 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nachgebildet sei, wegen seines Bezuges zum sozialrechtlichen Leistungsverhältnis aber einen speziellen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch darstelle, bei dem eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs 3 BGB ausgeschlossen sei.
Gegen den ihm am 14. Oktober 2008 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 10. November 2008 Beschwerde eingelegt, weil er den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für nicht gegeben hält. Die Beigeladenen zu 1. und 2. schließen sich - ohne ...