Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherung. Beitragspflicht von "Aufwandsentschädigungen" für die Werbung neuer Mitglieder. Arbeitsentgelt
Orientierungssatz
Als Aufwandsentschädigung deklarierte Beträge, die Innendienst-Mitarbeiter einer Krankenkasse für die Werbung neuer Mitglieder erhalten haben, sind dem Arbeitsentgelt zuzuordnen und unterliegen somit der Beitragspflicht in der Sozialversicherung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kosten des Verfahrens von der Klägerin zu tragen sind.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.573,62 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), die zum 31. März 2009 geschlossen wurde (im Folgenden: frühere Klägerin).
Streitig ist, inwieweit von der früheren Klägerin gezahlte “Aufwandsentschädigungen„ für die Werbung neuer Mitglieder beitragspflichtig sind. Die Beitragsforderung beträgt 10.573,62 €; Säumniszuschläge werden darauf nicht erhoben. Die Beklagte führte bei der früheren Klägerin im Oktober 2002 eine Betriebsprüfung durch. Betroffen war der Prüfzeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2001. Es wurde festgestellt, dass Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe 12.823,86 € zuzüglich 712,96 € an Säumniszuschlägen (insgesamt: 13.536,82 €) nachzuzahlen seien. Die Forderung wurde gegenüber der früheren Klägerin als Einzugsstelle nach erfolgter Anhörung mit Bescheid vom 28. Oktober 2002 geltend gemacht. Die von der früheren Klägerin als “Aufwandsentschädigungen„ bezeichneten Zahlungen wurden von der Beklagten als beitragspflichtig zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung angesehen. Dabei erfolgte die Ermittlung der Beiträge wegen des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes nicht durch Zuordnung zu einzelnen Arbeitnehmern, sondern in Form eines Summenbeitragsbescheides aufgrund der Summen der jährlich gezahlten Aufwandsentschädigungen.
Die frühere Klägerin legte gegen den Bescheid am 26. November 2002 Widerspruch ein. Nach ihrer Auffassung seien die Aufwandsentschädigungen in Höhe von 15,-- €, die sie an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Werben neuer Mitglieder gezahlt habe, nicht als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV - anzusehen. Diese Aufwandsentschädigungen seien ausschließlich an Mitarbeiter/innen ausgezahlt worden, die nicht im Vertrieb tätig seien. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen der Haupttätigkeit der Mitarbeiter/innen im Betrieb (Krankenkassenbetreuung und -verwaltung) und der werbenden Tätigkeit.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2004 zurück.
Hiergegen hat die frühere Klägerin am 27. Dezember 2004 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass Gegenstand des angefochtenen Bescheides hauptsächlich die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen auf der von der KKH-Mitarbeiter/innen aus dem Innendienst gezahlte Aufwandsentschädigungen für die Werbung neuer Mitglieder sei. Die KKH sei hier also in ihrer Funktion als Arbeitgeber und nicht als Krankenkasse betroffen. Die Krankenkassen stünden miteinander in einem starken Wettbewerb um die Gewinnung neuer Mitglieder. Deshalb werde es von allen Krankenkassen begrüßt, wenn auch Mitarbeiter/innen, zu deren arbeitsvertraglichen Aufgaben es nicht gehöre, neue Mitglieder zu werben, außerhalb ihres Arbeitsverhältnisses - z. B. im Freundes- und Bekanntenkreis - neue Mitglieder werben würden. Die KKH habe solche Aktivitäten in einem zulässigen Rahmen finanziell gefördert. Sie habe hierzu im Juni 1998 die Mitteilung “Aufwandsentschädigung für die Werbung neuer Mitglieder durch Innendienst-Mitarbeiter/innen„ herausgegeben.
Die Zahlung solcher Aufwandsentschädigungen sei durch die Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19. März 1998 in der Fassung vom 20. Oktober 2000 gedeckt. Die KKH habe daraufhin zunächst 30,00 DM Aufwandsentschädigung für jedes neu geworbene Mitglied, später - mit der Einführung des Euro - 15,00 € gezahlt. Diese Regelung sei auf sog. Innendienst-Mitarbeiter beschränkt geblieben.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18. Februar 2009 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass die streitigen Werbeprämien als Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV anzusehen seien. Die bloße Bezeichnung dieser Zahlungen als Aufwandsentschädigung stehe dem nicht entgegen, denn § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV bestimme eindeutig, dass die Bezeichnung der Leistungen keinen konstitutiven Charakter habe. Auch handele es sich nicht um steuerfreie Aufwandsentschädigungen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IV. Dem stünde auch nicht der Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes für Großbetriebsprüfung Hannover I vom 16. Juni 1998 entgegen, weil...