Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelvergütung. Beitritt zu einem Versorgungsvertrag. keine Möglichkeit zum Ausschluss nicht gewünschter Klauseln. Erfordernis eines Vertrages nach § 127 Abs 2 SGB 5. Blutzuckerteststreifen. Zubehör eines Hilfsmittels. kein Vergütungsanspruch nach § 31 SGB 5 für Hilfsmittelerbringer
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Beitritt zum Vertrag nach § 127 Abs 2 SGB V zu den gleichen Bedingungen gemäß § 127 Abs 2a SGB V in der bis zum 10.4.2017 geltenden Fassung liegt nicht vor, wenn der Beitritt nur unter Ausschluss nicht gewünschter Klauseln erklärt wird.
2. Ein Anspruch auf Vergütung von abgegebenen Blutzuckerteststreifen ohne Vertrag nach § 127 Abs 2 SGB V besteht nicht.
3. Für die Abgabe von Hilfsmitteln an Versicherte und die Abrechnung mit den Krankenkassen ist ein Vertrag nach § 127 SGB V gem § 126 Abs 1 Satz 1 SGB V notwendige Voraussetzung. Der Hilfsmittelanspruch umfasst als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal auch die Gewährung von Zubehör, um den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Hilfsmittels zu ermöglichen bzw zu erhalten. Blutzuckermessgeräte zur Messung der Glukosekonzentration im Blut zählen als Hilfsmittel. Blutzuckerteststreifen, mit denen die Blutzuckermessgeräte jeweils zu bestücken sind, sind dazu Zubehör.
4. Insbesondere ergibt sich ein Anspruch auf Vergütung des Leistungserbringers nicht aus § 31 SGB V. Wenn die §§ 126, 127 SGB V auf Blutzuckerteststreifen keine Anwendung fänden, weil sie den Arzneimitteln zuzurechnen seien, existierte für eine Versorgung mit Blutzuckerteststreifen keine Rechtsgrundlage, da § 31 SGB V ausschließlich für Apotheken gilt. Eine Versorgung mit Arzneimitteln durch Hilfsmittelerbringer sieht das abschließende vierte Kapitel des SGB V nicht vor.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 18. November 2019 wird abgeändert, soweit es die Klägerin auf die Widerklage zur Zahlung von Zinsen in Höhe von mehr als fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verurteilt hat. Insoweit wird die Widerklage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 49.558,43 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Hilfsmitteln für den Zeitraum 25. November 2014 bis 1. Februar 2017.
Die Klägerin ist Leistungserbringerin von Hilfsmitteln im Sinne des § 126 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und schwerpunktmäßig im Bereich der Diabetes-Versorgung tätig. Sie ist nach der Präqualifizierungsurkunde vom 14. März 2012 präqualifiziert für die Versorgungsbereiche 03BR (Spritzen und Zubehör, Pens), 03ER (Pumpensysteme) und 21BR (Messgeräte zur Lungenfunktionsmessung, Blutdruckmessgeräte, Blutgerinnungsmessgeräte/Blutzuckermessgeräte, Personenwaagen, Sprachausgaben zu Messgeräten). Sie ist Mitglied des Verbandes NetDiab - Verband der Diabetes-Fachhändler. Bis zum 24. November 2014 versorgte sie Versicherte der Beklagten auf Basis von Einzelkostenvoranschlägen. Auch Blutzuckerteststreifen wurden ohne vertragliche Grundlage geliefert und abgerechnet.
Die Beklagte machte im Februar 2014 ihre Absicht zum Abschluss von Verträgen nach § 127 Abs 2 SGB V zur Versorgung mit Hilfsmitteln
- der Produktgruppen 03 und 21 sowie mit Produkten gemäß § 31 SGB V bei insulinpflichtigem Diabetes und
- zur Insulintherapie
öffentlich bekannt. Auf Anforderung der Klägerin übersandte die Beklagte dieser die Vertragsentwürfe. In der Folgezeit fanden Gespräche zwischen dem NetDiab-Verband und der Beklagten im Hinblick auf einen möglichen Vertragsabschluss statt. Zu einer Einigung kam es dabei nicht.
Zum 1. Mai 2014 schloss die Beklagte mit der Firma M. sowie einem weiteren Leistungserbringer einen „Vertrag über die Versorgung mit Hilfsmitteln der PG 03 und PG 21 sowie mit Produkten gemäß § 31 SGB V bei insulinpflichtigem Diabetes“ (im Folgenden: Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie) und mit der Firma N. einen „Vertrag nach § 127 Abs 2 SGB V über die Versorgung mit Hilfsmitteln zur Insulinpumpentherapie“ (im Folgenden: Vertrag Hilfsmittel zur Insulinpumpentherapie).
Mit Schreiben vom 25. November 2014 erklärte die Klägerin ihren Beitritt zu beiden Verträgen jedoch unter „Protest und Ausschluss“ bestimmter Regelungen aus beiden Verträgen (wobei sie die Bezeichnung der Verträge vertauschte). Es handelt sich bei den ausgeschlossenen Regelungen um die folgenden Bestimmungen:
1. Vertrag Hilfsmittel zur Diabetestherapie
§ 2 Geltungsbereich und Beitrittsvoraussetzungen
[...]
(5) Dieser Vertrag gilt neben der erstunterzeichnenden Krankenkasse auch für Krankenkassen, die diesem Vertrag schriftlich beigetreten sind (Anlage 5). Der Beitritt erfolgt zum nächsten ersten eines Monats, sofern dieser spätestens am 15. des letzten Monats bestätigt wurde.
(6) Voraussetzung für die Geltung dieses Vertrags für die beitretenden Leistungserbringer und Krankenkassen ist, dass der Vertrag zwischen de...