Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Tätigkeit als Erzieherin. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung. Annahme eines Lohnwuchers. Indiz für das Fehlen unternehmerischer Freiräume. Rahmenvereinbarung. Einzelaufträge. Weisungsrecht. Pflicht zur persönlichen Leistung. Unternehmerrisiko. Stundenlohn. Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Ortsübliche Vergütung. Tariflohn. Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit. Vorausschauende Betrachtung. Entstehungsprinzip
Leitsatz (amtlich)
Eine Erzieherin, die vertretungsweise in einer Kindertagesstätte aushilft und mit einem Stundenentgelt honoriert wird, verfügt regelmäßig nicht über für eine Arbeitnehmerin uncharakteristische Handlungsspielräume, sondern übt eine abhängige Beschäftigung aus.
Orientierungssatz
1. Bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das anzunehmen ist, wenn der Wert der Leistung (mindestens) doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, kann ein tatsächlicher Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten gezogen werden als Voraussetzung für die Annahme eines Lohnwuchers iS von § 138 BGB bzw § 291 StGB iVm § 823 Abs 2 BGB (vgl BAG vom 27.6.2012 - 5 AZR 496/11 und vom 22.4.2009 - 5 AZR 436/08 = BAGE 130, 338).
2. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen der vereinbarten und einer üblichen Entlohnung entsprechend den tarifvertraglichen Vorgaben bildet ein in die gebotene Gesamtabwägung mit einzustellendes Indiz für das Fehlen unternehmerischer Freiräume und damit zugleich für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1; SGB V § 249b; SGB VI § 172 Abs. 3; BGB § 138 Abs. 2
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der klagende Verein trägt die Kosten des vorliegenden abgetrennten Berufungsverfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im vorliegenden Verfahren wendet sich der klagende Verein gegen seine Heranziehung zu Beitragszahlungen an die sog. Minijobzentrale der zu 1. beigeladenen Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See aufgrund einer Tätigkeit der Beigeladenen zu 2. im Rahmen der von dem klagenden Verein betriebenen Kinderbetreuungseinrichtungen.
Der klagende Verein ist Träger einer Vielzahl von Kindergärten, Kindertagesstätten und anderen Kinderbetreuungseinrichtungen im Raum L.. Die Kosten der Einrichtungen werden überwiegend mit Zuwendungen der öffentlichen Hand getragen; die Eltern der betroffenen Kinder haben sich bei entsprechender finanzieller Leistungsfähigkeit nach Maßgabe der örtlichen Rechtsvorschriften mit Beitragszahlungen an diesen Kosten zu beteiligen.
Am 30. November 2004 schloss der klagende Verein mit der am 2. Juni 1964 geborenen (bei der Beigeladenen zu 5. gesetzlich kranken- und bei der Beigeladenen zu 4. rentenversicherten) Beigeladenen zu 2., die die Ausbildung zur Erzieherin erfolgreich abgeschlossen hatte, einen “Vertrag über freie Mitarbeit„. Nach dem Vertrag sollte diese ab November 2004 als “Pädagogische Vertretung nach gegenseitiger Absprache auf Honorarbasis„ auf unbestimmte Zeit tätig werden. Nach § 2 des Vertrages sollte die Vergütung je Stunde 10,25 € betragen; wobei kein Anspruch auf eine “Honorarfortzahlung„ im Urlaubs- oder Krankheitsfall bestehen sollte. Steuern und Sozialbeiträge sollte die Beigeladene zu 2. selbst abführen. In § 4 des Vertrages war ihre Verpflichtung vorgesehen, die “vereinbarte Leistung persönlich durchzuführen„.
In einer dem Vertrag beigefügten Anlage hatte die Beigeladene zu 2. angekreuzt, dass für sie Vertretungstätigkeit in drei der dort insgesamt aufgeführten 30 Kinderbetreuungseinrichtungen, und zwar an allen Wochentagen mit Ausnahme des Dienstags, in Betracht käme.
In Umsetzung dieser Rahmenvereinbarung vereinbarten von dem klagenden Verein beauftragte MitarbeiterInnen mit der Beigeladenen zu 2. bei einem entsprechend Vertretungsbedarf telefonisch oder mündlich die genauen Daten und Einsatzorte ihrer Vertretungseinsätze. Bei diesen Absprachen wurden jeweils die genauen Zeiten und der genaue Arbeitsort für den jeweiligen Vertretungseinsatz der Beigeladenen zu 2. festgelegt.
Entsprechend diesen Vereinbarungen erfolgte der Einsatz der Beigeladenen zu 2. in einer der beiden kleinen Kindertagesstätten “M.„, in der Kindertagesstätte N. oder im Naturkindergarten O.. Dabei hat die Beigeladene in diesen Kinderbetreuungseinrichtungen teilweise die ausgefallene Leitung, teilweise auch eine fehlende Zweitkraft bzw. eine nicht einsetzbare sog. FSJ-Kraft vertreten. Bezüglich eines Teils der streitbetroffenen Vertretungseinsätze lässt sich auch nicht mehr im Einzelnen rekonstruieren, welche Kraft seinerzeit jeweils zu ersetzen war.
Insgesamt hat die Beigeladene zu 2. im streitbetroffenen Zeitraum November 2004 bis September 2006 ca. 408 Stunden Vertretungstätigkeiten erbracht, die jeweils monatlich mit dem vereinbarten Stundensatz von 10,25 € abgerechnet und insgesamt von ...