Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Verzinsung von erstatteten Beiträgen. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Mangels einer planwidrigen Regelungslücke kann das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen der im Sozialrecht ausdrücklich normierten Zinsansprüche nicht durch einen Rückgriff auf die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs korrigiert werden.
Orientierungssatz
1. Ein früheres Fehlverhalten des Versicherungsträgers ändert an der Rechtmäßigkeit einer erfolgten Beitragsentrichtung nichts (vgl BSG vom 27.8.2009 - B 13 R 14/09 R = BSGE 104, 108 = SozR 4-2600 § 93 Nr 13).
2. Auch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten und insbesondere aus Art 20 GG lässt sich hier kein weitergehender Anspruch auf Verzinsung rückständiger Leistungen ableiten (vgl BSG vom 2.2.2010 - B 8 SO 22/08 R).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am ... Juli 1943 geborene Kläger, der seit Juli 2004 Altersrente bezieht, begehrt die Verzinsung der ihm erstatteten Beiträge zur Rentenversicherung im Wert von 4.601,63 €.
Der Kläger erlitt im September 1969 einen Unfall, der bei ihm zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte. Mittels Einzahlung freiwilliger Beiträge wollte er seinen gesetzlichen Rentenversicherungsschutz so aufrechterhalten, als ob sich der Unfall mit seinen negativen Auswirkungen nicht ereignet hätte. Die damalige Landesversicherungsanstalt (LVA) räumte dem Kläger aufgrund seines Antrages vom 23. April 1976 (Bl. 440 VA) mit Bescheid vom (Bl. 69 VA) 14. Juni 1976 die Möglichkeit zur freiwilligen Beitragszahlung im Zeitraum von 1971 bis einschließlich 1974 in Höhe von insgesamt 9.000,00 DM ein. Am 25. Januar 1977 leistete der Kläger (bzw. für ihn die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners) die freiwillige Beitragszahlung in Höhe von 9.000,00 DM (Bl 88 GA). Mit Schreiben vom 18. August 1978 forderte der Rentenberater H. im Auftrag des Klägers die eingezahlten Beiträge in Höhe von 9.000,00 DM von der damaligen LVA I. zurück. Mit Schreiben vom 19. September 1978 bat dieser um einen rechtsmittelfähigen Bescheid, da der Kläger nicht zutreffend aufgeklärt worden sei. Die Beitragserstattung lehnte die LVA I. mit Bescheid vom 26. September 1978 ab, da eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich sei. Eine Beratung sei erfolgt.
Am 12. November 2003 (Bl. 112 VA) beantragte der Kläger erneut die Beitragserstattung. Mit Bescheid vom 27. Januar 2004 gewährte die Beklagte ihm die Beitragserstattung in Höhe von 4.601,63 €, da unterstellt werde, dass die LVA ihrer Auskunfts- und Beratungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei.
Am 6. Februar 2004 beantragte der Kläger die Verzinsung der erstatteten Beiträge. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 17. Mai 2004 ab. Die Erstattung des Gegenwertes der für die Zeiten vom 1. Oktober 1971 bis 31. Mai 1972 und vom 1. Februar 1973 bis 30. September 1974 zu Recht (nach-) entrichteten freiwilligen Beiträge in Höhe von 9.000,00 DM führe zu keinem Zinsanspruch, da die Beitragserstattung auf der Anerkennung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches beruhe. In einem solchen Fall sei die Zahlung von Zinsen nach § 27 SGB IV ausgeschlossen. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Das Widerspruchsverfahren wurde zunächst ruhend gestellt, da der Kläger einen Amtshaftungsanspruch gegenüber der LVA I. geltend gemacht hatte. Mit Schreiben vom 3. April 2006 lehnte die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover die Leistung eines Schadensersatzes ab. Es wurde die Einrede der Verjährung erhoben. Dem Kläger sei spätestens seit August 1978 bekannt, dass auch Ausfallzeiten bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden. Im Übrigen liege eine schuldhafte Pflichtverletzung nicht vor, da im Falle eines Verlustes der Halbbelegung die durch die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge gefüllten Zeiten zusätzlich abgesichert gewesen wären.
Der Kläger führte zunächst ein Prozesskostenhilfeverfahren hinsichtlich des Amtshaftungsanspruches vor dem Landgericht I.. Entsprechend der in den Verwaltungsakten enthaltenen Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten J. an den Kläger, wurde die Bewilligung der Prozesskostenhilfe abgelehnt (Beschluss vom 3. August 2006), da die LVA mitgeteilt habe, dass über die Auswirkungen der nachgezahlten Beiträge zum damaligen Zeitpunkt keine genauen Auskünfte erteilt werden könnten.
In dem noch anhängigen Widerspruchsverfahren wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 14. November 2008 aus den zutreffenden Gründen des Bescheides vom 17. Mai 2004 zurück.
Am 1. Dezember 2008 hat der Kläger vor dem SG Hannover Klage erhoben und vorgetragen, dass ihm ein Zinsanspruch aus sozialrechtlichem Herstellungsanspruch oder § 44 SGB I zu stehe. Die Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. März 1983 (1 RJ 92/81 - BSGE 55, 40 ff. = SozR 2100 § 27 Nr 2) sei veraltet.
Das SG Hannover hat die Klage mit Urteil vom 1....