Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilhabe am Arbeitsleben. berufliche Rehabilitation. Umschulung zum Arbeitserzieher. Zahlung von Übergangsgeld während eines notwendigen Berufspraktikums. Praktikumsvergütung. Gesetzesbegründung
Orientierungssatz
Eine Umschulung - hier zum Arbeitserzieher - im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben ist grundsätzlich bis zur Erreichung des angestrebten Berufsziels zu fördern. Sie ist erst dann beendet, wenn sie zu dem Abschluss geführt hat, der für die Annahme des erstrebten Berufes auf dem Arbeitsmarkt Voraussetzung ist (vgl BSG vom 15.3.1979 - 11 RA 36/78 = BSGE 48, 92 = SozR 2200 § 1236 Nr 15).
Eine Beschränkung der Förderung einer Teilhabe am Arbeitsleben auf Teile einer Ausbildung - hier nur auf den theoretischen Teil nicht aber auf den dazugehörigen Teil eines Berufspraktikums - ist nicht zulässig.
Normenkette
SGB VI § 9 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1; SGB IX § 33 Abs. 1, 5, § 52
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Übergangsgeld für die Dauer eines Anerkennungspraktikums im Rahmen der Umschulung des Klägers zum Arbeitserzieher.
Der ... 1963 geborene Kläger war zuletzt als selbstständiger Tischlermeister tätig. Diese Tätigkeit konnte er nach einer Lendenwirbelsäulenfraktur nicht mehr ausüben, so dass ihm die Beklagte eine Umschulung zum Arbeitserzieher an der Fachschule für Arbeitserziehung des Berufsbildungswerkes des DGB in N bewilligte. Der von der Beklagten geförderter theoretische Teil dieser Ausbildung dauerte vom 1. Oktober 2003 bis zum 30. September 2005 und endete mit einer staatlichen Abschlussprüfung. Es schließt sich ein einjähriges Berufspraktikum an, an dessen Ende ein abschließendes Kolloquium zu absolvieren ist. Diese sind Voraussetzung für die staatliche Anerkennung als Arbeitserzieher. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2003 sowie Änderungsbescheid vom 27. November 2003 gewährte die Beklagte dem Kläger Übergangsgeld in Höhe von 56,42 € kalendertäglich für die Dauer der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Der Kläger beabsichtigt das erforderliche Praktikum in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 zu absolvieren und beantragte daraufhin am 4. April 2005 (eingegangen 8. April 2005) bei der Beklagten die Weitergewährung des Übergangsgeldes für die Zeit dieses Anerkennungsjahres. Mit Bescheid vom 26. April 2005 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass das Anerkennungspraktikum nicht Bestandteil der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei und somit Übergangsgeld nicht bewilligt werden könne. Der hiergegen am 3. Mai 2005 eingereichte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2005).
Mit seiner am 29. Juli 2005 bei dem Sozialgericht (SG) Aurich eingereichten Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt unter Berufung auf § 33 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Gemäß § 37 Abs. 2 SGB IX seien zwar in der Regel Leistungen zur beruflichen Weiterbildung nicht länger als zwei Jahre zu erbringen. Dies sei jedoch anders, wenn das Teilhabeziel nur über eine länger dauernde Leistung erreicht werden könne. So liege der Fall hier. Einen Praktikumsplatz habe er inzwischen in O. Das SG hat mit Urteil vom 11. August 2005 die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger über dem 30. September 2005 hinaus für die Dauer eines Jahres Übergangsgeld für das Anerkennungspraktikum nach Maßgabe des Gesetzes zu gewähren. Der Kläger habe dem Grunde nach einen Anspruch auf Gewährung von Übergangsgeld für die Dauer seines einjährigen Anerkennungspraktikums gemäß § 20 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), weil der Anspruch auf Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben auch das hierfür notwendige einjährige Anerkennungspraktikum umfasse. Gehöre zur Berufsausbildung ein Berufspraktikum, so sei die Umschulung zu diesem Beruf nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich das Gericht uneingeschränkt anschließe, erst nach dem Praktikum beendet, selbst wenn schon während des Praktikums auf dem Arbeitsmarkt ein Verdienst erzielt werden könne. Eine Umschulung sei im Rahmen der beruflichen Rehabilitation erst dann beendet, wenn ein auf dem Arbeitsmarkt verwertbarer Abschluss erreicht sei (BSG, Urteil vom 15. März 1979, Az: 11 RA 38/78, SozR – 2200 § 1236 Nr. 16). Die Umschulung solle die Ausübung eines neuen Berufes ermöglichen. Sie sei daher grundsätzlich bis zur Erreichung des angestrebten Berufszieles zu fördern. Diesem Ziel entsprechend sei die Umschulung erst dann beendet, wenn sie zu dem Abschluss geführt habe, der für die Annahme des angestrebten Berufes auf dem Arbeitsmarkt Voraussetzung sei (BSG, Urteil vom 15. März 1979, Az. 11 RA 36/78, SozR – 2200 § 1236 Nr. 15). Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte auch für den Zeitraum des einjährigen Anerkennungspraktikums Übergangsgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften (§ 21 SGB VI i. V. m. §§ 46 ff. SGB IX) zu gewähren...