Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Entlassungsentschädigung. ordentliche Unkündbarkeit. Anwendung der fiktiven Kündigungsfrist. tarifvertraglicher Ausschluss der betriebsbedingten Kündigung
Orientierungssatz
Die fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr nach § 143a Abs 1 S 4 SGB 3 aF (§ 158 Abs 1 S 4 SGB 3 nF) ist nicht anzuwenden, wenn zwar auf Grund einer tarifvertraglichen Regelung eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung zulässig ist, aber keine entsprechende Einschränkung für sonstige ordentliche Kündigungen gilt (vgl LSG Celle-Bremen vom 26.6.2012 - L 11 AL 30/09).
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 25. November 2009 wird geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2007 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) in der Zeit vom 1. September 2006 bis zum 5. Juli 2007 wegen Zahlung einer Abfindung geruht hat.
Der 1965 geborene Kläger war seit dem 18. November 1998 bei der V AG versicherungspflichtig beschäftigt. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrag konnte das Arbeitsverhältnis durch die V AG nach einer Werkszugehörigkeit von fünf Jahren mit einer Kündigungsfrist von drei Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Außerdem war auf das Arbeitsverhältnis eine am 1. Januar 1996 in Kraft getretene Tarifvereinbarung zur Sicherung der Standorte und der Beschäftigung anwendbar. Diese Vereinbarung enthielt folgende Regelung:
§ 5 Beschäftigungssicherung
Für die Laufzeit der Vereinbarung sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Dies gilt nicht für betriebsbedingte Beendigungskündigungen in Verbindung mit sozialverträglichen Maßnahmen (z.B. Altersregelungen durch Sozialplan, sonstigen Abfindungsregelungen). Im Einzelfall sind betriebsbedingte Änderungskündigungen mit Zustimmung des Betriebsrates zulässig.
Nach dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag zur nachhaltigen Zukunfts- und Beschäftigungsentwicklung (Zukunftstarifvertrag) war die genannte Tarifvereinbarung erstmals zum 31. Dezember 2011 kündbar.
Am 5. Juli 2006 schlossen der Kläger und die V AG einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. August 2006 endete und der Kläger eine Abfindung in Höhe von 126.720 € erhielt. Nach einer am 18. Juli 2006 erfolgten Arbeitsuchendmeldung meldete sich der Kläger am 31. August 2006 arbeitslos und beantragte Alg. In der eingereichten Arbeitsbescheinigung gab die V AG an, eine ordentliche Kündigung sei für sie nicht ausgeschlossen und (tarif-) vertraglich nicht nur bei einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung zulässig gewesen. Sie gab aber an, dass die ordentliche Kündigung im vorliegenden Fall nur auf Grund der Zahlung einer Abfindung möglich gewesen sei.
Am 1. Oktober 2006 nahm der Kläger eine selbständige Tätigkeit auf, die er, soweit ersichtlich, bis September 2011 ausübte.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 24. Oktober 2006 den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 1. September 2006 bis zum 23. November 2006 sowie die Minderung der Anspruchsdauer um 90 Tage fest. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss des Aufhebungsvertrages gelöst und damit seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Außerdem stellte sie mit weiterem Bescheid vom 24. Oktober 2006 den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 24. November 2006 bis zum 30. November 2006 sowie die Minderung der Anspruchsdauer um sieben Tage fest. Zur Begründung verwies sie darauf, dass sich der Kläger verspätet arbeitsuchend gemeldet habe. Mit einem dritten Bescheid vom 24. Oktober 2006 stellte sie fest, dass der Anspruch auf Alg wegen der erhaltenen bzw. zu beanspruchenden Entlassungsentschädigung bis zum 5. Juli 2007 ruhe. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei vorzeitig erfolgt. Da die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nur bei Zahlung einer Abfindung möglich gewesen sei, gelte eine zwölfmonatige Kündigungsfrist, die nicht eingehalten worden sei.
Gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2006, mit dem die Beklagte das Ruhen bis zum 5. Juli 2007 festgestellt hatte, erhob der Kläger Widerspruch. Die Angaben in der von der V AG ausgestellten Arbeitsbescheinigung seien unzutreffend. Nach dem maßgeblichen Manteltarifvertrag sei das Arbeitsverhältnis ordentlich kündbar gewesen. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung oder eine Beendigung gegen Zahlung einer Abfindung ergebe sich weder aus dem Tarifvertrag noch aus dem Arbeitsvertrag. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2007, bekanntgegeben am 8. Januar 2007).
Hiergegen hat der Kläger am 7. Februar 2007 Klage...