Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Anspruchsberechtigung. nichteheliche Lebensgemeinschaft. Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland. Entsendung des nichtehelichen Lebenspartners gemäß § 4 SGB 4. Verfassungsrecht. EG-Recht

 

Leitsatz (amtlich)

Lebt eine Mutter mit dem Vater ihres Kindes während des in Betracht kommenden Bezugszeitraums im Ausland in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, dann kann sie nicht allein aus dem Grunde Elterngeld beanspruchen, weil der Vater dorthin von seinem Arbeitgeber im Sinne von § 4 SGB 4 entsandt worden ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.12.2012; Aktenzeichen B 10 EG 16/11 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Elterngeld für die Betreuung ihres am 7. Mai 2008 in Frankreich geborenen Sohnes I. J.

Der Vater des Kindes ist Arbeitnehmer der deutschen Firma K. Deutschland GmbH und von dieser seit 2002 zur Arbeitsleistung nach Frankreich an die K. L. M. entsandt worden; die Entsendung ist nachfolgend bis jedenfalls 2010 verlängert worden (vgl. die Bescheinigung der N. Krankenkasse vom 16. Juli 2008 über die Anwendbarkeit des deutschen Sozialrechts auf den Vater im Zeitraum 1. Juni 2008 bis 31. Mai 2010).

Die Klägerin lebt mit dem Vater ihres Kindes in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Beide sind deutsche Staatsangehörige. Seit der Entsendung des Vaters nach Frankreich im Jahr 2002 lebt die Klägerin mit ihm in Frankreich in einer gemeinsamen Wohnung. Ihre frühere Wohnung in O. hat sie aufgegeben. Eine aus der Klägerin und ihrer Schwester bestehende Erbengemeinschaft ist Eigentümerin eines Wohnhauses in der P., des früheren Elternhauses. Dieses wird von beiden Schwestern für jeweils einige Wochen im Jahr wie eine Ferienwohnung genutzt.

Die Klägerin war nach der Übersiedlung in Frankreich zunächst bis 2005 bei einem französischen Arbeitgeber angestellt. Von 2005 an arbeitete sie bei der französischen Filiale in Q. der deutschen Firma R. Computer + Softwarelösungen AG, wobei sie - abgesehen von gelegentlichen Dienstreisen - ihre Arbeitsleistung in Frankreich erbrachte. Dementsprechend entrichtet die Klägerin seit 2002 Beiträge zu den französischen Sozialversicherungsträgern und Einkommensteuern an den französischen Fiskus.

Nach der Geburt ihres Sohnes unterbrach die weiterhin in Frankreich lebende Klägerin das Beschäftigungsverhältnis bei der französischen Filiale des deutschen Arbeitgebers und bezog zunächst Mutterschaftsgeld und anschließend von August 2008 bis Januar 2009 von der französischen Familienkasse eine Beihilfe von monatlich 536,03 €. Weitergehende Familienleistungen nach französischem Recht konnte die Klägerin für die Zeit nach der Geburt nicht in Anspruch nehmen, da ihr Einkommen die dafür in Frankreich maßgeblichen Grenzwerte überschritt. Am 5. Januar 2009 nahm die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis bis zu dessen einvernehmlichen Beendigung am 31. März 2009 wieder auf.

Den Antrag der in Frankreich lebenden Klägerin vom 31. Oktober 2008 auf Gewährung von Elterngeld nach deutschem Recht für den 5. bis 12. Lebensmonat ihres Kindes lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29. Dezember 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2009 ab. Der Klägerin stehe das begehrte Elterngeld nicht zu, da sie im geltend gemachten Bezugszeitraum weder ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt noch in ihrer Person im Rahmen eines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses ins Ausland entsandt worden sei und da sie auch nicht mit einem solchen Entsandten verheiratet sei.

Mit ihrer am 11. August 2009 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass es keine nachvollziehbaren Gründe dafür gebe, nur Ehegatten von ins Ausland nach § 4 SGB IV entsandten deutschen Arbeitnehmern, nicht aber den mit diesen in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen lebenden Partnern einen Anspruch auf Elterngeld für die Kinderbetreuung im Ausland einzuräumen. Die entsprechende gesetzliche Regelung missachte das Gleichbehandlungsgebot, das Sozialstaatsprinzip und das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 5 GG.

Mit Urteil vom 3. November 2010 hat das Sozialgericht Stade die Klage abgewiesen. Es begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber im vorliegenden Zusammenhang von einer Gleichstellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit einer Ehe abgesehen habe. Aus der VO (EWG) Nr. 1408/71 ergebe sich lediglich ein Anspruch der im streitbetroffenen Zeitraum in Frankreich lebenden Klägerin auf die Gewährung französischer, nicht aber deutscher Sozialleistungen.

Gegen dieses ihr am 8. Dezember 2010 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 7. Januar 2011. Ihrer Auffassung nach ergibt sich ein Anspruch auf Elterngeld in analoger und verfassungskonformer Auslegung von § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BEEG. Die mit dem Elterngeld angestrebte Förderung der Familiengründung müsse insbesondere unter Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzip...

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