Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Umdeutung eines gestellten Antrags auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation in einen Rentenantrag
Orientierungssatz
1. Nach § 116 Abs. 2 SGB 6 gilt ein Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben als Antrag auf Rente, wenn der Versicherte vermindert erwerbsfähig ist und ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erwarten ist.
2. Die Wirkung eines Antrags auf medizinische Rehabilitation nach § 116 Abs. 2 SGB 6 kann von dem Versicherten ausgeschlossen werden, indem er gegenüber der Rentenversicherung einen entsprechenden Verzicht erklärt.
3. Ist der Versicherte von seiner Krankenkasse zur Stellung eines Antrags auf Reha-Maßnahmen nach § 51 Nr. 1 S. 1 SGB 5 aufgefordert worden, so kann er auch gegenüber der Rentenversicherung nur wirksam auf die Umdeutung seines Rehabilitationsantrags in einen Rentenantrag verzichten, wenn die Krankenkasse diesem Verzicht zustimmt.
4. Über die Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB 6 gilt der gestellte Reha-Antrag als Rentenantrag und führt somit zu einem Wegfall des Krankengeldes.
5. Der Versicherte, der seinen über § 116 Abs. 2 SGB 6 fingierten Rentenantrag zurücknehmen will, kann eine förmliche Entscheidung der Krankenkasse herbeiführen, ob sie die Zustimmung erteilt oder nicht.
6. Das Interesse der Krankenkasse an dem Übergang der Leistungszuständigkeit an den Rentenversicherungsträger hat nach dem Normzweck des § 51 SGB 5 grundsätzlich Vorrang.
7. Nur wenn der Versicherte ausnahmsweise ein berechtigtes Interesse am Hinausschieben des Rentenbeginns hat, das die Belange der Krankenkasse überwiegt, muss diese ihre Zustimmung erteilen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 19. April 2016 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Streitig ist die Zustimmung der Beklagten zur Verschiebung des Beginns des Rentenbezuges.
Der am 24. Oktober 1949 geborene Klägers erlernte den Beruf des Kfz-Mechanikers und war als Beratungsingenieur im Außendienst tätig. Der Kläger war seit 1. April 2010 arbeitslos und bezog Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) von der Beigeladenen zu 1). Seit 1. März 2012 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt (Diagnosen M 54.5 G, D 18.00 V- Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung des Facharztes für Orthopädie Dr L. vom 1. März 2012) und erhielt Krankengeld von der Beklagten vom 12. April 2012 bis 18. April 2013. Vom 19. April bis 23. Oktober 2013 bezog er wieder Arbeitslosengeld I gemäß § 136 SGB III von der Beigeladenen zu 1) (Bescheid der M. vom 11. September 2013).
Bei dem Kläger wurde ein Hämangiom am LWK 3 diagnostiziert. In der Zeit vom 16. April bis 2. Mai 2012, 10. bis 23. Mai 2012 und 20. Juni bis 10. Juli 2012 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im N. O.. Am 17. April 2012 wurden eine Korporektomie LWK-3 und ventrodorsale Stabilisierung L 2 bis L 4 links, ein Wirbelkörperersatz und Zementaugmentation, dorsale Spondylodese L2-4 und dorsale Dekompression durchgeführt. Es kam zu Wundheilungstörungen mit Wundinfektion und Sepsis durch Staphylococcus aureus. Am 11. Mai 2012 wurde eine operative Wundrevision der dorsalen Wunde mit Wundabstrichen, Nekrosektomie und Wundrandexzision und am 22. Juni ein Wechsel des Wirbelkörperersatzes L3 durchgeführt.
Der Kläger beantragte am 26. Oktober 2012 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme bei der Beigeladenen zu 2), der P. Q..
Mit Bescheid vom 22. November 2012 schränkte die Beklagte gegenüber dem Kläger ihr Dispositionsrecht ein. In dem Bescheid heißt es:
“Vielen Dank für das persönliche Gespräch, in dem wir über Ihren Antrag auf Leistung zur medizinischen Rehabilitation gesprochen haben.
Wie Sie wissen, haben wir den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung um eine Beratung zur Ihrer gesundheitlichen Situation gebeten. Nach Einschätzung der dort tätigen Ärzte ist ihre Erwerbsfähigkeit zurzeit erheblich gefährdet oder gemindert. Eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist der richtige Schritt, um Ihre Erwerbsfähigkeit langfristig zu sichern.
Für Ihren beim Rentenversicherungsträger eingereichten Antrag gelten besondere Bedingungen - bitte lesen Sie sich diese aufmerksam durch, damit Ihnen keine Nachteile entstehen.
Änderungen zu Ihrem Antrag sind nur in wenigen besonderen Ausnahmesituationen und nur mit unserer Zustimmung möglich. Falls Sie Ihren Antrag zum Beispiel zurückziehen, den Beginn der Maßnahme verschieben oder eine andere Klinik wählen möchten, setzen Sie sich unbedingt vorher mit uns in Verbindung, denn wir können Ihnen sonst kein Krankengeld mehr zahlen. Dies möchten wir gern für Sie vermeiden.„
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 4. April 2013 wieder zurücknahm.
Der Kläger führte in der Zeit vom 28. Dezember 2012 bis 25. Januar 2013 eine stationäre Rehabilitations...