Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilhabe am Arbeitsleben. Förderung der Berufsausbildung. Internatsunterbringung mit Schließzeiten. Anspruch auf Übernahme der Kosten für die ständige Vorhaltung einer eigenen Unterkunft wegen Schließzeiten. Teilnahmekosten
Leitsatz (amtlich)
Teilnahmekosten für eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme mit Internatsunterbringung nach §§ 127, 128 SGB III umfassen nicht auch die Kosten der Wohnung am bisherigen Wohnort, weil es sich um keinen maßnahme- bzw behinderungsbedingten Zusatzbedarf handelt (aA LSG Hamburg vom 29.5.2016 - L 2 AL 41/15 = juris).
Normenkette
SGB III § 127 Abs. 1, § 128; SGB IX § 3 Abs. 7 Nr. 1, Abs. 8 S. 1 Nr. 6; SGB II § 27 Abs. 3, 4 S. 1; SGB XII § 22 Abs. 1 S. 2
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 4. Mai 2015 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme von Mietkosten für die Wohnung am früheren Wohnort während einer Internatsunterbringung anlässlich einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme vom 1. November 2013 bis zum 31. Juli 2014 in Höhe von 264,00 € monatlich streitig.
Die 1989 geborene Klägerin ist ein behinderter Mensch und stand bis zum 31. Oktober 2013 beim Beigeladenen in Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ab 1. Juli 2013 erhielt sie Kosten für Unterkunft und Heizung für eine eigene Wohnung in G. mit einer Wohnfläche von circa 32 qm und einer Warmmiete von 264,00 € monatlich, in die sie mit Zustimmung des Beigeladenen wegen eines schwerwiegenden Grundes bei Personen vor Vollendung des 25. Lebensjahres gemäß § 22 Abs. 5 SGB II eingezogen war.
Vom 21. Oktober 2013 bis zum 31. Juli 2014 nahm die Klägerin an einer durch die Beklagte geförderten berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme in H. Berufsbildungswerk I. mit Internatsunterbringung teil. Die Beklagte bewilligte unter anderem mit Bescheiden vom 5. November 2013 und 17. Februar 2014 Ausbildungsgeld in Höhe von 104,00 € monatlich sowie Anreise-, Rückreise- und Fahrkosten für Familienheimfahrten. Die Klägerin erhielt ferner abgezweigtes Kindergeld in Höhe von 184,00 € monatlich.
Die zuletzt durch Bescheid vom 10. Juli 2013 bewilligten SGB II-Leistungen von 1. Juli bis zum 31. Dezember 2013 wurden durch Bescheid des Beigeladenen vom 21. Februar 2014 mit Wirkung vom 1. November 2015 eingestellt, weil spätestens ab diesem Tage der Anspruch gemäß § 7 Abs. 5 SGB II entfallen sei. Gegen den auf Widerspruch der Klägerin ergangenen Widerspruchsbescheid des Beigeladenen vom 16. Juni 2014 ist beim Sozialgericht (SG) Lüneburg unter dem Aktenzeichen S 25 AS 727/14 ein Klageverfahren anhängig, welches das SG durch Beschluss vom 4. Dezember 2014 ohne Zustimmung der Klägerin von Amts wegen zum Ruhen gebracht hat.
Die Stadt G. lehnte die Bewilligung von Wohngeld gemäß § 20 Abs. 2 Wohngeldgesetz ab, weil der Klägerin dem Grunde nach Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder nach den Bestimmungen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - SGB III - zustehen würden (Bescheid vom 31. März 2014). Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 und Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2014 lehnte der Beigeladene eine Bewilligung von Arbeitslosengeld II bzw. von Leistungen an Auszubildende gemäß § 27 SGB II ab 1. November 2013 ab.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin vom 16. Januar 2014 auf Übernahme der Unterkunftskosten für die bisherige Wohnung in G. während der Internatsunterbringung mit gesondertem Bescheid vom 24. Februar 2014 ab, weil die Zuständigkeit für die Übernahme der Kosten dieser Wohnung beim Beigeladenen liege. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin unter Vorlage einer Bescheinigung des H. Berufsbildungswerkes geltend, dass sie regelmäßig das Internat an jedem zweiten Wochenende im Monat sowie während der 21 Urlaubstage verlassen müsse, da dort kein Betreuungspersonal zur Verfügung stehe. Sie benötige zusätzlich eine eigene Wohnung, weil sie aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung ihrer Eltern verwiesen werden dürfe. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil sie für die Übernahme der Kosten für die Wohnung in G. nicht zuständig sei. Zudem hätte die Klägerin an den Ort der Maßnahme umziehen können, wodurch die Kosten für eine internatsmäßige Unterbringung entfallen wären.
Durch Beschluss vom 28. März 2014 - S 18 AL 32/14 ER - verpflichtete das SG Lüneburg die Beklagte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, der Klägerin vorläufig für die Zeit vom 1. November 2013 bis zum 31. März 2014 Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 792,00 € und für die Zeit vom 1. April 2014 bis zum 31. Juli 2014 Unterkunftskosten in Höhe von 200,00 € monatlich zu gewähren.
Die Klägerin hat am 18. Juli 2014 Klage beim SG Lüneburg erhoben und eine Stellungnahme des psychologischen Dienstes vom ...