Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweislast für Vermögensanrechnung im Streit um Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe bei verdeckter Treuhandschaft
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe besteht auch nicht für die Folgezeit, wenn wegen Anrechnung von Einkommen die Bewilligung nach §§ 45 und 48 SGB 10 zurückgenommen werden musste und deswegen der Arbeitslose während der einjährigen Vorfrist nach § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG oder der dreijährigen Vorfrist nach § 192 Satz 2 Nr. 1 SGB 3 kein Arbeitslosengeld bezogen hat.
2. Will die Bundesagentur für Arbeit die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe wegen der Täuschung über das Vorhandensein von Vermögen zurücknehmen, so trifft sie hierfür grundsätzlich die Beweislast. Bei verdeckten Treuhandverhältnissen kehrt sich die Beweislast jedoch um, wenn in der Sphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind (Anschluss an BSG, Urteil vom 28.08.2007 B 7/7a AL 10/06 R; hier: Vermögensanlagen in der Türkei auf den Namen der Arbeitslosen, ohne dass die Behauptung, treuhänderisch für den Sohn gehandelt zu haben, plausibel war).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 19.02.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme bzw. die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für den Zeitraum vom 09. September 1995 bis zum 26. März 2004 und gegen ein Erstattungsverlangen der Beklagten hinsichtlich gezahlter Alhi in Höhe von 79.658,74 € und hinsichtlich gezahlter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 19.765,39 €, mithin gegen eine Gesamtforderung in Höhe von 99.424,13 €.
Die am 03. Februar 1948 geborene Klägerin ist verheiratet (Geburtsdatum des Ehemanns F.: 10. November 1950). Die Klägerin war zuletzt vom 17. Oktober 1978 bis zum 30. Juni 1993 als Arbeiterin in der G. Holzwarenfabrik GmbH & Co. in H. beschäftigt. Vom 12. Juli 1993 bis zur Anspruchserschöpfung am 08. September 1995 bezog sie (mit Unterbrechungen wegen Ortsabwesenheit) Arbeitslosengeld (Alg) von der Beklagten (Bemessungsentgelt: zuletzt 920,00 DM; Leistungssatz: 418,20 DM; Leistungsgruppe: C/1). Am 18. September 1995 beantragte sie beim Arbeitsamt I. die Gewährung von Alhi. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung erklärte sie, dass sie und ihr Ehemann über kein Vermögen verfügten. Die Beklagte bewilligte daraufhin ab dem 09. September 1995 Alhi (Bemessungsentgelt: 920,00 DM; Leistungssatz: 355,80 DM; Leistungsgruppe: C/1). In den Alhi-Fortzahlungsanträgen vom 30. Januar 1997, 10. September 1997, 19. Januar 1998, 07. Januar 1999, 13. Januar 2000 gab die Klägerin wiederum an, dass weder sie noch ihr Ehemann über Vermögen verfügten. In den dann folgenden Fortzahlungsanträgen vom 16. Januar 2001, 21. Januar 2002, 12. Februar 2003 und 26. Januar 2004 war lediglich angegeben, dass Guthaben auf Girokonten zwischen 200,00 € und 1.900,00 DM bestanden hätten; ansonsten wurde das Vorhandensein von Vermögen verneint. Aufgrund dieser Anträge erfolgte dann in der Folgezeit durchgehend eine Bewilligung von Alhi (zuletzt Bescheid vom 06. Februar 2004; Bemessungsentgelt: 410,00 €; Leistungssatz: 183,61 €: Leistungsgruppe: C/1). Für die Zeit vom 22. Juli bis zum 11. August 1997 hatte die Beklagte bestandskräftig eine Leistungsaufhebung und Rückforderung wegen Ortsabwesenheit verfügt.
Auf der Grundlage einer Mitteilung zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und des Leistungsmissbrauchs des Finanzamts J. nach Maßgabe des § 31a Abgabenordnung vom 08. Januar 2004 wurde der Beklagten bekannt, dass die Klägerin und ihr Ehemann über umfangreiche Geldanlagen in der Türkei verfügten. Der Mitteilung waren u. a. beigefügt unter dem 01. September 2003 durch die K. in L. für den Zeitraum ab Mai 1994 erstellte Übersichten über Geldanlagen sowohl der Klägerin wie auch ihres Ehemannes. Diese belegen u. a. eine über die M. in der Bundesrepublik Deutschland unter dem 20. Mai 1994 erfolgte Vermögenseinzahlung bzw. Anlage der Klägerin in Höhe von 50.000,00 DM und für den 07. Juli 1997 in Höhe von 30.000,00 DM. Für den Ehemann der Klägerin erfolgte unter dem 20. Mai 1994 auf demselben Weg eine Zahlung bzw. eine Vermögensanlage über einen Betrag in Höhe von 58.000,00 DM. Aus den Übersichten ergeben sich ferner die regelmäßigen Nettozinsgutschriften, die vorher abgeführten Steuern und Bankkosten, die wiederum über die M. erfolgten Auszahlungen von Zinsen sowie die Wiederanlage von Kapital- bzw. von Zinserträgen (wegen der weiteren Einzelheiten vgl. Bl. 194, 196 BA).
Nach daraufhin durchgeführter Anhörung nahm die Beklagte mit Bescheid vom 14. März 2005 die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 09. September 1995 bis zum 26. März 2004 wegen fehlender Bedürftigkeit zurück. Da die Klägerin in ihrem Leistungsantrag zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe, sei ihr Alhi in Höhe von 79.658,74 € zu Unrecht ge...