Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Arbeitslohns aus Anlass einer Betriebsveranstaltung bei nachträglicher Pauschalbesteuerung. Beitragsfreiheit

 

Leitsatz (amtlich)

Zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Arbeitslohns aus Anlass einer Betriebsveranstaltung bei nachträglicher Pauschalbesteuerung (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Sozialversicherungsentgeltverordnung SvEV - iVm § 40 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Einkommensteuergesetz EStG).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.04.2024; Aktenzeichen B 12 BA 3/22 R)

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 29.1.2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die nicht zu erstatten sind.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird endgültig auf 60.043,17 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen i.H.v. 60.043,71 €. Strittig ist dabei, ob eine nachträgliche Pauschalbesteuerung von Arbeitsentgeltbestandteilen zu deren Beitragsfreiheit geführt hat.

Die Klägerin führte am 5.9.2015 anlässlich eines Firmenjubiläums eine Betriebsveranstaltung durch, an der auch ihre Arbeitnehmer teilnahmen. Es entstanden Kosten i.H.v. 214.502,36 € (einschließlich Umsatzsteuer). Bei der Lohnsteueranmeldung für September 2015 vom 8.10.2015 berücksichtigte sie diese Kosten zunächst nicht. Am 31.3.2016 übermittelte sie dem Finanzamt V. dann eine korrigierte Lohnsteueranmeldung. Mit dieser meldete sie die Lohnsteuer auf den Arbeitslohn aus Anlass der Betriebsveranstaltung, soweit er den Freibetrag i.H.v. 110,00 € je Teilnehmer überstieg, mit einem Pauschalsteuersatz von 25 % an. Auf den sich daraus ergebenden Betrag führte sie keine Sozialversicherungsbeiträge ab.

Im August 2017 bemerkte die Beklagte im Rahmen einer Betriebsprüfung die korrigierte Lohnsteueranmeldung vom 31.3.2016. In diesem Zusammenhang übersandte ihr die spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine Stellungnahme, mit der sie geltend machte, der Arbeitslohn aus Anlass der Betriebsveranstaltung sei nicht sozialversicherungspflichtig gewesen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 der mit Wirkung zum 21.5.2015 geänderten Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) seien die dort genannten Einnahmen, Zuwendungen und Leistungen nämlich nicht dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie vom Arbeitgeber lohnsteuerfrei belassen oder pauschal besteuert würden. Vom Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen könne die Lohnsteuer gem. § 40 Abs. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erhoben werden, soweit die Zuwendung an den Arbeitnehmer 110,00 € je Veranstaltung übersteige (§ 19 Abs. 1 Nr. 1a Satz 3 EStG). In den Entgeltabrechnungen für September 2015 seien die Arbeitslöhne aus Anlass der Betriebsveranstaltung zwar zunächst nicht erfasst worden, da deren Höhe noch nicht festgestanden habe und angenommen worden sei, dass der Freibetrag nicht überschritten werde. Später sei aber eine berichtigte Lohnsteueranmeldung abgegeben worden. Diese Berichtigung sei auch noch nach dem 28.2.2016 möglich gewesen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SvEV sei zwar die bloße Möglichkeit der Pauschalversteuerung nicht ausreichend für die Beitragsfreiheit. Dem Wortlaut der Norm könne aber nicht entnommen werden, wie sich Berichtigungen auswirkten. In der Gesetzesbegründung werde insofern lediglich ausgeführt, dass eine nachträglich geltend gemachte Pauschalbesteuerung nicht dazu führe, dass für steuer- und beitragspflichtig abgerechnete Arbeitsentgeltbestandteile Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten seien, wenn der Arbeitgeber die vorgenommene steuerpflichtige Erhebung nicht mehr ändern könne. Diese Begründung betreffe aber nicht den hier zu beurteilenden Sachverhalt. Am 20.4.2016 hätten der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund und die Bundesagentur für Arbeit erstmalig die Auswirkungen nachträglicher Änderungen der lohnsteuerrechtlichen Behandlung systematisiert. Nach dem Besprechungsergebnis solle eine Änderung in Anlehnung an § 41b EStG nur dann zu einer Änderung der Arbeitsentgeltbeurteilung führen, wenn sie bis Ende Februar des Folgejahres vorgenommen worden ist. Auch diese Ausführungen gingen hier aber ins Leere. In den Abrechnungen für September 2015 seien ursprünglich weder Angaben zu pauschal besteuerten noch zu steuerfreien Bezügen enthalten gewesen. Es handele es sich daher nicht um eine Änderung, sondern um die erstmalige Erfassung des Vorgangs. Nach § 41b Abs. 6 EStG werde pauschal besteuerter Arbeitslohn gerade nicht bescheinigt. Folglich bestehe für dessen erstmalige Erfassung nicht die für Lohnsteuerbescheinigungen geltende zeitliche Berichtigungssperre. Im Übrigen sei es angesichts der bis zur Besprechung der Spitzenverbände am 20.4.2016 unklaren Rechtslage unbillig, gestützt auf das Besprechungsergebnis das Arbeitsentgelt aus Anlass einer früheren Betrie...

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