Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Vermögenseinsatz. Härte. angesparte Grundrente nach dem OEG
Leitsatz (amtlich)
1. Der Einsatz von Vermögen aus angesparter Grundrente nach dem OEG stellt ohne Hinzutreten weiterer, besonderer Umstände keine Härte nach § 90 Abs 3 SGB XII dar.
2. Die Wertungen des Gesetzgebers, die dieser mit der zum 1.7.2011 in Kraft getretenen Änderung des § 25f Abs 1 BVG (BGBl I S 1114) in Bezug auf die Kriegsopferfürsorge zum Ausdruck gebracht hat, sind auf die Sozialhilfe übertragbar. Es ist nicht Ziel einer Grundrente, damit Vermögen aufzubauen. Vielmehr sollen mit der monatlich gezahlten Grundrente laufende Mehraufwendungen bestritten werden, die ein gesunder Mensch nicht hat.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 19. September 2014 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es sich bei den Ansparungen der Klägerin aus Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) um bei der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII einzusetzendes Vermögen handelt, hier für die Zeit von Februar 2012 bis einschließlich April 2013.
Die 1989 geborene Klägerin beantragte am 12. April 1999 beim Versorgungsamt Braun schweig die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Mit Bescheid vom 29. Juli 2004 erkannte das Versorgungsamt bei der Klägerin „psychoreaktive Störungen" als Schädigungsfolge einer Gewalttat an und gewährte ihr ab dem 1. April 1999 Beschädigtenversorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50. Ab September 2004 wurden die Versorgungsbezüge monatlich an die Klägerin ausgezahlt. Für den vorangegangenen Zeitraum vom 1. April 1999 bis zum 31. August 2004 erhielt die Klägerin eine Grundrentennachzahlung in Höhe von 13.728,00 €.
Die Klägerin lebte zunächst in G. (Kreis Hildesheim) und wurde sodann im Kinderhaus H. in 1. aufgenommen, wo sie bis zum 31. Dezember 2011 stationär betreut wurde. Bereits seit dem 1. März 201O besucht sie den Bildungsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) der Lebenshilfe J. gGmbH. Seit dem 1. Januar 2012 wohnt sie in einer eigenen Wohnung in 1. und wird dort ambulant betreut. Der Beklagte gewährte Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Am 27. Februar 2012 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. In einer von dem Beklagten ausgehändigten Liste über Vermögenswerte trug sie unter Giro-/Bank-/Sparguthaben die Beträge 243,84 € und 19.559,50 € ein. Neben dem zweiten Betrag vermerkte sie, dass dieser aus Zahlungen der Opferentschädigung angespart sei. Die übersandten Auszüge von zwei Sparbüchern wiesen einen Betrag in Höhe von 3.912,31 € sowie in Höhe von 15.647,19 € aus.
Mit Bescheid vom 2. März 2012 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin verfüge über einzusetzendes Vermögen in Höhe von 17.203,34 €. Damit könne sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Die Vermögensfreibetragsgrenze betrage 2.600,00 €. Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 25. März 2012 wies der Beklagte nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter gemäß § 116 SGB XII mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2012 als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 8. Oktober 2012 beim Sozialgericht (SG) Hildesheim Klage erhoben, welches den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26. Oktober 2012 an das örtlich zuständige SG Braunschweig verwiesen hat.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass eine Anrechnung des Vermögens nicht erfolgen dürfe, weil es sich um Leistungen handele, die ihr das OEG aufgrund einer persönlichen Schädigung zuerkannt habe. Ihre Sparsamkeit könne nicht zu ihren Lasten ausgelegt werden.
Mit Urteil vom 19. September 2014 hat das SG Braunschweig die Klage abgewiesen. Ein Härtefall im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII liege nicht vor. Dies sei Folge der zum 1. Juli 2011 in Kraft getretenen Änderung des § 25 f Abs. 1 BVG durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20. Juni 2011, wonach Vermögenswerte aus Nachzahlungen von Renten nach diesem Gesetz nur für einen Zeitraum von einem Jahr unberücksichtigt bleiben. Der Gesetzgeber habe sich ausdrücklich auf die vorausgegangene diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) bezogen und deutlich gemacht, dass diese nicht mehr der nunmehr geänderten Gesetzeslage entsprechen solle.
Gegen das ihr am 13. Oktober 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. November 2014 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie ist weiterhin der Ansicht, ihr aus der Opferentschädigungsrente angespartes Vermögen sei nicht einzusetzen.
Die Klägerin beantrag...