Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe für eine studienbedingt erforderliche Vorlesehilfe. Blindenhilfe. kein Einkommenseinsatz. zweckbestimmte Leistung. keine Zweckidentität
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Blindenhilfe nach § 72 SGB 12 handelt es ich um eine Leistung nach dem SGB 12 und damit nicht um (bei der Gewährung anderer Leistungen nach dem SGB 12 berücksichtigungsfähiges) Einkommen gem § 82 Abs 1 S 1 SGB 12.
2. Das pauschal den Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen bezweckende und stark versorgungsrechtliche Züge aufweisende (niedersächsische) Landesblindengeld (juris: BliGG ND ) dient nicht demselben Zweck wie Leistungen der Eingliederungshilfe, mit denen die Kosten für eine zur Absolvierung eines Hochschulstudiums erforderliche Vorlesehilfe übernommen werden. Es darf damit nicht als Einkommen bei der Gewährung der Eingliederungshilfe berücksichtigt werden (§ 83 Abs 1 SGB 12).
Orientierungssatz
Ein Hilfebedürftiger hat gem §§ 53, 54 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 12 iVm § 13 Abs 1 Nr 5 EinglHVO (juris: BSHG§47V) einen Anspruch auf Eingliederungshilfe für eine studienbedingt erforderliche Vorlesehilfe.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der erste Absatz des Tenors des Urteils des Sozialgerichts Hannover vom 7. August 2008 wie folgt neu gefasst:
Der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2007 wird geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 2007 die bewilligte Eingliederungshilfe ohne "Eigenanteil" des Klägers zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger ab 1. Januar 2007 die von der Beklagten im Rahmen der Eingliederungshilfe in bestimmtem Umfang übernommenen Kosten einer für sein Studium erforderlichen Vorlesehilfe zu einem Drittel, höchstens jedoch in Höhe von 20 % des ihm gewährten Landesblindengeldes und der ihm gewährten Blindenhilfe nach dem SGB XII, selbst zu tragen hat.
Der am 4. November 1979 geborene Kläger ist blind und schwerbehindert mit einem GdB von 100 sowie den Merkzeichen G, H, RF, B und BL. Er studiert seit dem Wintersemester 2005/2006 Rechtswissenschaften an der Universität F.. Die Beklagte gewährte ihm mit bestandskräftigen Bescheid vom 27. Oktober 2005 Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für eine studienbedingt erforderliche Vorlesehilfe sowie Fahrtkostenentschädigung für den Besuch der Hochschule. Weiterhin regelte sie in diesem Bescheid, dass der Kläger von dem ihm gewährten Landesblindengeld in Höhe von 300,00 € monatlich gemäß § 88 Abs 1 Nr 1 SGB XII zu den Kosten der Vorlesehilfe einen Eigenanteil in Höhe eines Drittels der Kosten, höchstens jedoch 20 % des Landesblindengeldes, also 60,00 € monatlich, beizutragen habe.
Der Kläger erhielt bis zur Vollendung seines 27. Lebensjahres im November 2006 monatlich 300,00 € Landesblindengeld und monatlich 285,00 € Blindenhilfe gemäß § 72 SGB XII. Nachdem sein Anspruch auf Landesblindengeld nach der damaligen Rechtslage wegen der Vollendung seines 27. Lebensjahres weggefallen war, gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 15. November 2006 ab Dezember 2006 Blindenhilfe in voller Höhe von 585,00 € monatlich. Aufgrund einer Änderung des Gesetzes über das Landesblindengeld für Zivilblinde in der Fassung vom 8. Januar 1993 (Nds. GVBl 1993, 25, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. März 2009, Nds. GVBL S. 115, - Landesblindengeldgesetz -) hatte der Kläger ab 1. Januar 2007 wieder Anspruch auf Landesblindengeld, und zwar in Höhe von 220,00 € monatlich. Dementsprechend bewilligte die Beklagte dem Kläger unter Aufhebung ihres Bewilligungsbescheides vom 15. November 2006 mit Bescheid vom 12. Dezember 2006 unter Anrechnung (Abzug) des Landesblindengeldes in Höhe von 220,00 € monatlich Blindenhilfe gemäß § 72 SGB XII in Höhe von monatlich 365,00 €.
Mit Bescheid vom 15. Januar 2007 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 27. Oktober 2005 gestützt auf § 48 SGB X ab dem 1. Januar 2007 auf und gewährte dem Kläger ab 1. Januar 2007 für die Dauer des Studiums Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für eine studienbedingt erforderliche Vorlesehilfe für bis zu 70 Stunden pro Monat bei einem Kostensatz von 5,11 € pro Stunde sowie darüber hinausgehend für bis zu 120 Stunden pro zu erbringende Hausarbeit (und in Form einer - hier nicht streitigen - Fahrtkostenentschädigung). Weiterhin hat die Beklagte in dem Bescheid geregelt: Da der Kläger ab 1. Januar 2007 ein Landesblindengeld in Höhe von 220,00 € sowie Blindenhilfe in Höhe von 365,00 € beziehe, habe er zu den Kosten der Vorlesehilfe einen Eigenanteil zu erbringen. Dieser Eigenanteil werde nach Ausübung des ihr durch § 88 Abs 1 Nr 1 SGB XII eingeräumten Ermessens in Höhe eines Drittels der entsprechenden Kosten, jedoch höchstens auf 20 % der bezogenen Leistun...