Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Beschäftigung eines Vertreters oder Assistenten während der Erziehung von Kindern unter 18 Jahren
Leitsatz (amtlich)
Vertragsärzte dürfen einen Vertreter oder einen Assistenten während der Erziehung von Kindern beschäftigen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 26. Februar 2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Genehmigung einer Entlastungsassistentin abgelehnt worden war.
Die Klägerin nimmt als Frauenärztin mit Praxissitz in G. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Sie und ihr Ehemann haben den am 1. Oktober 1999 in H. geborenen I. (im Folgenden: J.) und den am 24. Dezember 2005 ebenda geborenen K. (im Folgenden: L.) adoptiert. Am 16. Juli 2015 beantragte die Klägerin bei der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), ab sofort die Tätigkeit der Ärztin M. N. als Entlastungsassistentin für 20 Stunden wöchentlich bis zum 30. September 2017 zu genehmigen. Zur Begründung gab sie an, in Hinblick auf ihren Sohn J. bestehe für die Zeit der Pubertät des Adoptivkindes die Gefahr einer Retraumatisierung, woraus sich ein Zeitbedarf ergebe, der sich nicht mit einer vollen Arbeitstätigkeit als Selbstständige vereinbaren lasse.
Mit Bescheid vom 31. August 2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, unter den Begriff des „Kindes“ in § 32 Abs 2 S 2 Nr 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) seien in Anlehnung an die Definition in § 1 Abs 1 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) zur Abgrenzung vom „Jugendlichen“ nur Personen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres zu verstehen. Da das Adoptivkind vorliegend bei Antragstellung bereits 15 Jahre alt gewesen sei, sei es demnach inzwischen als Jugendlicher anzusehen.
Hiergegen legte die Klägerin am 14. September 2015 Widerspruch ein. In demselben Schreiben beantragte sie eine Entlastungsassistenz zur Betreuung ihres Sohnes L. zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Mit Bescheid vom 28. September 2015 erteilte die Beklagte der Klägerin die Genehmigung, die Ärztin N. in der Zeit vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. September 2018 im Umfang von 20 Wochenstunden als Entlastungsassistentin in ihrer Praxis zu beschäftigen und bezog sich dabei auf den Antrag bezüglich der Betreuung des Adoptivkindes L.. Den Widerspruch vom 14. September 2015 lehnte sie mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2015 ab. Zur Begründung führte sie an, dass der Adoptivsohn J. bereits das 16. Lebensjahr erreicht habe und nach § 1 Abs 2 JuSchG deshalb als Jugendlicher anzusehen sei. Aus diesem Grund könne er nicht mehr als „Kind“ iSv § 32 Abs 2 S 2 Nr 2 Ärzte-ZV angesehen werden. Diese Regelung sei auch sachgerecht. Denn dem Zweck der Regelung in der Ärzte-ZV, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, werde mit der Beschränkung einer Entlastungsassistenz für die Betreuung von Kindern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr ausreichend Rechnung getragen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es auch die Möglichkeit der Beschränkung des Versorgungsauftrags, der Beschäftigung eines Kollegen mit Leistungsbegrenzung und der Verlängerung des in § 32 Abs 2 S 2 Nr 2 Ärzte-ZV vorgesehenen 36-Monatszeitraums gebe.
Hiergegen hat die Klägerin am 10. Januar 2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Hannover erhoben.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte die Genehmigung der Entlastungsassistentin N. wegen deren Kündigung mit Wirkung zum 30. September 2017 aufgehoben (Bescheid vom 12. Oktober 2017). Mit Bescheid vom 6. April 2018 hat sie die Beschäftigung von Dr. O. als Entlastungsassistentin vom 1. April 2018 bis 31. März 2019 genehmigt. Einen weiteren Antrag der Klägerin (vom 1. Juli 2019), die Beschäftigung eines Entlastungsassistenten bzw einer Entlastungsassistentin zu genehmigen, hat die Beklagte mit Bescheid vom 7. Februar 2020 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2020) abgelehnt und zur Begründung ua darauf hingewiesen, § 32 Abs 2 S 2 Nr 2 Ärzte-ZV sei nicht einschlägig, weil es sich nunmehr auch in Hinblick auf den Sohn L. nicht um die Erziehung eines Kindes handele, nachdem dieser inzwischen 14 Jahre alt geworden sei.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin ausgeführt, soweit der Bescheid vom 31. August 2015 sich erledigt habe, stehe ihr ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu, weil mittlerweile die Fachärztin für Frauenheilkunde Dr. P. ihre Bereitschaft zur Tätigkeit als Entlastungsassistentin erklärt habe, die Beklagte aber an ihrer in dem Bescheid vom August 2015 geäußerten Rechtsauffassung festhalte. Dieser Bescheid sei rechtswidrig gewesen, weil der Wortlaut der Regelung in § 32 Abs 2 S 2 Nr 2 Ärzte-...