Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit
Orientierungssatz
1. Eine Lungenkrebserkrankung ist als oder wie eine Berufskrankheit anzuerkennen, wenn die berufliche Belastung des Versicherten durch gefährliche Arbeitsstoffe die Erkrankung wenigstens wesentlich mitverursacht hat.
2. Ein Adenokarzinom ist typisch für einen durch Rauchen verursachten Lungenkrebs. Allein der langjährige Nikotinkonsum steigert das Risiko einer Lungenkrebserkrankung um ein Vielfaches.
3. Angesichts der allgemeinen Umweltbelastung genügt zur Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit eine Exposition gegenüber gefährlichen Arbeitsstoffen als solche nicht. Der Versicherte muss über einen längeren Zeitraum schädigenden Einwirkungen ausgesetzt sein. Die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Mitverursachung kann nur anhand der Bestimmung einer Erhöhung des Erkrankungsrisikos durch die berufliche Belastung beurteilt werden.
4. Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ist eine Gewichtung beruflicher und außerberuflicher Risiken erforderlich. Nur die wahrscheinlich wesentlich berufliche Verursachung bzw. Mitverursachung einer Krankheit legitimiert deren Entschädigung zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 24. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung von Verletztenrente. Streitig ist, ob eine Lungenkrebserkrankung wahrscheinlich wesentlich beruflich mitverursacht ist. Im Vordergrund stehen die Berufskrankheiten (BKen) Nummern (Nrn) 1103 (Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen) und 4109 (bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel oder seine Verbindungen) der Anlage (Anl) 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Anlässlich einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung im Jahre 2000 wurde ein Bronchialkarzinom festgestellt, das operativ behandelt wurde, Die Ärzte erstatteten die Anzeige über eine BK vom 28. November 2000, weil der 1958 geborene Kläger als Schmelzer einer inhalativen Belastung durch Schwermetalle, Schmelzdämpfe, Staub, Nickel- und Magnesiumverbindungen ausgesetzt gewesen sei. Des Weiteren vermerkten sie in den Krankenberichten vom 25. Oktober und 5. Dezember 2000 einen Nikotinkonsum von ungefähr 20 Packungsjahren und führten aus, der Kläger habe über mindestens 10 Jahre etwa 30 Zigaretten pro Tag geraucht. Histologisch wurde ein invasiv wachsendes mittelgradig differenziertes bronchiolo-alveoläres Adenokarzinom (Grad 2) der rechten Lunge diagnostiziert (Arztbrief des Prof Dr D. vom 23. November 2000). Anamnestisch ist eine genetische Krebsdisposition bekannt; die Mutter verstarb an Darmkrebs, der Vater an einem metastasierenden Bronchialkarzinom (S 2 oben des ärztlichen Entlassungsberichts der Fachklinik E. vom 27. Dezember 2000).
Der Kläger arbeitete nach seiner Ausbildung zum Bauschlosser zunächst 16 Monate in der F. - und G. (Auskunft vom 12. Februar 2001). Bei den Schlosser-, Kies- und Elektroschweißarbeiten war er gegenüber Chromat und Quarzstaub exponiert (arbeitstechnisches Gutachten des Dipl-Ing H. vom 7. April 2006). Anschließend war er von August 1978 bis Anfang des Monats Mai 1985 als Schlosser in der I. tätig (Auskunft vom 22. Dezember 2000). Schweißarbeiten fielen in nur geringem Umfang an, Chrom-Nickel-Stahl schweißte der Kläger nur wenige Male (arbeitstechnisches Gutachten des Dipl-Ing H. vom 7. April 2006). Seit dem Monat Mai 1985 war der Kläger im Schmelzbetrieb der J. (früher: Eisen- und Stahlwerk K.) beschäftigt. Dipl-Ing L. ermittelte zu der Belastung mit Gefahrstoffen und hielt in der Stellungnahme vom 15. Mai 2001 fest: Der Kläger sei zu Beginn der Tätigkeit ungefähr 2 bis 3 Jahre als zweiter Schmelzer an den Elektrolichtbogenöfen eingesetzt worden. Geschmolzen worden sei dort in der Hauptsache Normalstahl und in geringerem Umfang Chrom-Nickel-Stahl. Ungefähr seit den Jahren 1987/88 sei der Kläger als Schmelzer an den Induktionsöfen tätig gewesen. In den Induktionsöfen seien hauptsächlich Chrom-Nickel-Stahl sowie hochnickelhaltige Legierungen erschmolzen worden. Dipl-Ing L. machte in seiner Stellungnahme darauf aufmerksam, dass der Schmelzbetrieb in den letzten Jahren umgestaltet worden sei; die Lichtbogenöfen seien jetzt eingehaust und seit dem Frühjahr 1997 seien neue Induktionsöfen, die wesentlich leistungsfähiger seien und über Absaughauben verfügten, in Betrieb genommen worden. Zur Exposition gegenüber Chrom und Nickel sei am Arbeitsplatz des Versicherten am 14. März 2001 eine Schadstoffmessung durchgeführt worden. Zur Berücksichtigung früherer Verhältnisse seien Proben vom am Mauerwerk abgelagerten Staub analysiert worden. Dipl-Ing L. errechnete eine personenbezogene Probenahme für Chrom(VI)-Verbindungen von weniger als 0,005 mg/m³ sowie von Nickel und seinen Verbindungen in Höhe von 0,026 mg/m³. Die Expositionshö...