Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. Impfschaden. Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis. Guillain-Barré-Syndrom. Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. zeitlicher Zusammenhang. aktueller Stand der medizinischen Wissenschaft. Alternativursache. Aluminiumverbindungen in Impfstoffen

 

Orientierungssatz

1. Selbst ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Entstehung eines Guillain-Barré-Syndroms und einer Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis vermag einen Zusammenhang im kausalen Sinne nicht zu begründen, wenn nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft in großen epidemiologischen Studien eine kausale Assoziation nicht bestätigt werden konnte.

2. Impfbedingte neurologische Schadensvermutungen beim Menschen durch das Adjuvans Aluminium in Impfstoffen sind (bisher) reine Spekulation (vgl LSG Mainz vom 12.5.2016 - L 4 VJ 1/14 und LSG Stuttgart vom 6.4.2017 - L 6 VJ 1281/15).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 03.03.2022; Aktenzeichen B 9 V 37/21 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 26. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung eines bei ihm diagnostizierten Guillain-Barre-Syndroms (GBS) als Impfschaden sowie die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1961 geborene Kläger wurde am 18. April 2011 mit dem Kombinationsimpfstoff Covaxis (Chargen-Nr. C3007AC) gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis geimpft.

Am 8. Juni 2011 reiste der Kläger zu einem Tauchurlaub nach Ägypten. Ausweislich eines Berichts der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) vom 21. Juni 2011 (Bl. 281 Schwerbehindertenakte) habe der Kläger am ersten Tag seines Aufenthalts plötzlich im Pool eine Schwäche in den Beinen bemerkt. Diese habe sich im Verlauf des Tages in eine zunehmende Kraftlosigkeit gesteigert, welche schließlich zu einem Sturz des Klägers in seinem Urlaubshotel auf der Treppe geführt habe. Weiter heißt es in dem Bericht, etwa vier bis fünf Tage vor Antritt der Reise habe der Kläger unter wässrigen Durchfällen für etwa zwei Tage gelitten. Am 9. Juni 2011 wurde der Kläger zur stationären Behandlung in einem Krankenhaus in Ägypten aufgenommen und am 11. Juni 2011 vom Malteser-Rückholdienst nach Deutschland ausgeflogen. Im Bericht dieser Organisation vom 10. Juni 2011 heißt es, der Kläger habe sich mit einer motorischen Schwäche der Beine, geringer der Arme, im Krankenhaus vorgestellt. Vom 12. bis 21. Juni 2011 wurde der Kläger stationär in der neurologischen Klinik der MHH betreut. Dort diagnostizierten die behandelnden Ärzte u.a. ein Guillain-Barre-Syndrom (GBS) mit Tetraparese bein- und distal betont seit dem 8. Juni 2011 sowie eine Hepatitis E. In der Zeit vom 21. Juni bis 25. November 2011 erfolgte eine stationäre neurologische Rehabilitationsbehandlung in I. Im Entlassungsbericht der Klinik Niedersachsen in I. vom 25. November 2011 (Bl. 52 Beschädigtenakte) werden ebenfalls u.a. die Diagnosen Guillain-Barre-Syndrom sowie Hepatitis E gestellt. Zum Therapieverlauf wird in diesem Entlassungsbericht mitgeteilt, der Kläger habe bei Abschluss der Rehabilitationsbehandlung kurze Wege frei gehen können. Längere Strecken könne er mit Unterarmgehstützen bewältigen. Auch das Treppensteigen sei mit einer und zum Teil auch ohne Unterarmgehstützen möglich. Die Beweglichkeit der oberen Extremitäten sei abgesehen von der reduzierten Handkraft nicht relevant eingeschränkt. In der sozialmedizinischen Stellungnahme des Entlassungsberichts heißt es, der Kläger könne perspektivisch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten durchführen, zeitweise im Stehen und Gehen, überwiegend im Sitzen in allen drei Schichten in einem zeitlichen Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr. In der Zeit vom 13. bis 19. Dezember 2011 erfolgte eine nochmalige stationäre Behandlung in der MHH. Dort diagnostizierten die Ärzte ausweislich des Entlassungsberichts vom 19. Dezember 2011 (Bl. 316 Schwerbehindertenakte) eine chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP) mit distal- und beinbetonter leichter Tetraparese, einen Zustand nach GBS und einen Zustand nach Hepatitis E.

Am 14. Oktober 2011 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem IfSG und machte geltend, durch die Impfung vom 18. April 2011 an GBS und Hepatitis E erkrankt zu sein. Die ersten Krankheitserscheinungen hätten sich sieben Wochen nach der Impfung bemerkbar gemacht. Der Beklagte zog medizinische Unterlagen betreffend den Kläger bei und ließ diesen von dem Neurologen Prof. Dr. J. ambulant begutachten. Prof. Dr. J. gelangte in seinem Gutachten vom 7. Mai 2012 zu dem Ergebnis, eine ursächliche Verbindung zwischen der Impfung vom 18. April 2011 und dem GBS könne nicht angenommen werden. Dagegen spreche bereits das zeitliche Interval...

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