Rechtskraft: nein

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Müttergenesungskur. stationäre Mutter-Kind-Kur. Mutter-Kind-Kur. Rehabilitation. Zuschuss. Zuzahlung. gesetzliche Leistung. Regelleistung. satzungsgemäße Leistung. Mehrleistung. Satzungsermessen. Wesentlichkeitstheorie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine gesetzliche Krankenkasse hat die Kosten einer stationären Mutter-Kind-Kur (Müttergenesungskur) in vollem Umfang (lediglich abzüglich der gesetzlich vorgesehenen Zuzahlung) zu übernehmen, § 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB V.

2. § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist verfassungswidrig, soweit eine gesetzliche Krankenkasse ermächtigt wird, ihre Leistung bei einer stationären Mutter-Kind-Kur auf einen Zuschuß zu beschränken.

3. Nach § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist die Krankenkasse nur ermächtigt, in ihrer Satzung zu regeln, ob sie die stationäre Mutter-Kind-Kur als Sachleistung oder als Kostenerstattungsleistung erbringt (verfassungskonforme Auslegung).

 

Normenkette

SGB V §§ 11, 27 Abs. 1 Nr. 6, §§ 40-41, 55-56; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6, 100 Abs. 1

 

Beteiligte

die Hanseatische Krankenkasse Hamburg, vertreten durch den Vorstand

 

Verfahrensgang

SG Stade (Urteil vom 29.08.2000; Aktenzeichen S 1 KR 109/99)

 

Tenor

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 29. August 2000 und der Bescheid der Beklagten vom 8. April 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1999 werden geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.143,70 DM zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge zu sechs Siebteln zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten wegen der Höhe des Zuschusses für eine durchgeführte Mutter-Kind-Kur.

Die 1966 geborene und seinerzeit bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin führte vom 21. April bis 13. Mai 1999 mit ihrem 1997 geborenen Sohn Andre eine Kur in dem Mutter-Kind-Kurheim in C. durch.

Der Kostenübernahmeantrag für die Mutter-Kind-Kur wurde von der Klägerin über das Diakonische Werk, Beratungsstelle D., am 5. Januar 1999 gestellt. Beigefügt waren Atteste der behandelnden Ärztin E. vom 4. Januar 1999. Die Beklagte lehnte den Antrag zunächst mit Bescheid vom 11. März 1999 ab, da für die beantragte Maßnahme der Rentenversicherungsträger zuständig sei. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 28. März 1999 Widerspruch ein, dem die Beklagte mit Bescheid vom 8. April 1999 abhalf. Die Beklagte sagte zu, die Kosten in Höhe von 50 % der anfallenden Kosten zu übernehmen. Die Kostenzusage erstrecke sich auf die ärztliche Behandlung, die Versorgung mit Arznei- und Heilmitteln (zB Krankengymnastik, Bäder, Massagen) sowie Unterkunft und Verpflegung.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 13. April 1999 Widerspruch ein. Sie verfolge die volle Kostenübernahme, da sie die Satzungsregelung der Beklagten für rechtswidrig halte. Diese berücksichtige nicht, dass Mütterkuren neben den medizinischen Regelleistungen nach § 23 Abs. 2, Abs. 4 bzw § 27 ff Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V – eine gleichrangige Maßnahme eigener Art seien. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 10. Juni 1999 zurück. Die Zuschussregelung entspreche der am 7. Dezember 1998 genehmigten Satzung der Beklagten. Der § 20 der Satzung sei dahingehend geändert worden, dass die Beklagte ab dem 1. Januar 1999 für Mutter-Kind-Kuren einen Zuschuss in Höhe von 50 % der anfallenden Kosten gewähre. Diese Änderungen seien am 10. Dezember 1998 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden.

Hiergegen hat die Klägerin am 13. Juli 1999 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Stade erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Begriff Zuschuss werde von der Beklagten dahingehend missverstanden, dass es ihr freistehe eine Zuschusshöhe von größer Null bis kleiner 100 % zu bestimmen. Diese Ansicht sei unrichtig. Die Leistungen nach §§ 24, 41 SGB V seien medizinische Regelleistungen, die von den Krankenkassen nicht wegrationalisiert werden könnten. Daraus folge, dass die notwendigen Kosten der medizinischen Anwendungen und die der Mehrverpflegungskosten von den Krankenkassen in gleicher Weise zu tragen seien wie bei ambulanten und stationären Maßnahmen nach § 23 Abs. 2, Abs. 4 bzw § 40 Abs. 2 SGB V. Ein Zuschuss von lediglich 50 % decke die Kosten der medizinischen Behandlungen und den Mehrverpflegungsaufwand nicht mehr ab. Die Satzungsregelung der Beklagten führe damit faktisch dazu, dass die Regelleistungen nach §§ 24, 41 SGB V von der Beklagten nicht mehr vollständig erbracht und die Maßnahmen gegenüber Leistungen nach §§ 23, 27, 40 SGB V benachteiligt würden. Aus der Entstehungsgeschichte der Rechtsnormen ergäbe sich, dass die neue Satzungsregelung der Krankenkasse jedenfalls die notwendigen medizinischen Leistungen abdecken müsse. Die von der Beklagten gewählte Zuschussregelung werde auch dem Zweck des eingeräumten Ermessens nicht mehr gerecht. Die Tagessätze der Einrichtungen de...

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