Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang gerichtlicher Ermittlungen in einem Verfahren über die Überprüfung eines Zugunstenbescheides
Orientierungssatz
1. Ergeben sich in der gerichtlichen Kontrolle eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB 10 hinsichtlich der Folgen eines behaupteten Arbeitsunfalls i. S. von § 8 Abs. 1 SGB 7 weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus den von ihm vorgelegten Unterlagen neue Erkenntnisse gegenüber dem bindend gewordenen ablehnenden Bescheid des Unfallversicherungsträgers, so besteht für das Gericht kein Anlass zu weiteren Ermittlungen.
2. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Verfahrensbeteiligten vor seiner Entscheidung über eine in Aussicht genommene bestimmte Beweiswürdigung hierauf hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit ihnen zu erörtern (BSG Beschluss vom 24. 2. 2017, B 2 U 8/17 BH).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.05.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Dem Kläger werden Kosten gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz in Höhe von 750,00 Euro auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Im Rahmen eines wiederholten Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) begehrt der Kläger erneut die Feststellung von Folgen eines Arbeitsunfalls vom 09.06.1984 sowie die Zahlung von Verletztenrente.
Wegen der Folgen weiterer Arbeitsunfälle (06.02.1988 und 06.12.2003) sowie wegen vom Kläger geltend gemachter Berufskrankheiten (BK 1317, BK 2102, BK 2103, BK 2104, BK 2106, BK 2108, BK 2109, BK 2110, BK 2112, BK 2301, BK 4101, BK 4102, BK 4111) sind/waren weitere Verwaltungs- und Gerichtsverfahren auch betreffend die Überprüfung bindend ablehnender Bescheide gem. § 44 SGB X anhängig.
Am 09.06.1984 erlitt der 1952 geborene Kläger einen Arbeitsunfall. Er fiel aus ca. 6-7 m Höhe von einer Bühne und zog sich multiple Körperprellungen, Hautabschürfungen sowie eine Schädelprellung mit Hinterkopfplatzwunde zu. Die röntgenologischen Untersuchungen des Schädels, der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule sowie der rechten Schulter ergaben keinen sicheren Anhalt für eine frische Knochenverletzung. Der Kläger war voll wach und ansprechbar. Er konnte klare Angaben zu Ort, Zeit, Person und zum Unfallgeschehen machen. Eine ihm vorgeschlagene stationäre Behandlung wünschte er nicht. Die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit wurde bis zum 18.06.1984 angenommen (Durchgangsarztbericht Dr. C vom 13.06.1984).
Im Juni 2007 beantragte der Kläger die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 09.06.1984 mit dem Vorbringen, er habe dabei Schäden an der Wirbelsäule, schwere Kopfverletzungen und einen Lungenriss erlitten. Unter Berücksichtigung von seitens der Beklagten beigezogenen sowie vom Kläger vorgelegten Unterlagen gelangte Dr. C1 in einem Gutachten (23.10.2007) zusammenfassend zu der Beurteilung, weder vorhandene degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule noch vom Kläger angegebene Kopfschmerzen und Beschwerden im Schulterbereich seien kausal auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Dies gelte auch für eine bekannte depressive Symptomatik.
Die Beklagte verneinte einen Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls (Bescheid vom 16.11.2007, Widerspruchsbescheid vom 11.03.2008). Die dagegen erhobene Klage (S 23 KN 30/08 U) wies das Sozialgericht (SG) ab (Urteil vom 26.01.2009). Seine Berufung nahm der Kläger zurück (Sitzungsniederschrift vom 19.11.2009).
Im April 2010 stellte der Kläger unter Hinweis auf ein seiner Auffassung nach durch den Arbeitsunfall entstandenes Schmerzsyndrom im Wirbelsäulenbereich sowie eine posttraumatische Belastungsstörung "einen Verschlimmerungsantrag sowie einen Antrag gem. § 44 SGB X". Die Beklagte lehnte den "Antrag auf Prüfung einer Verschlimmerung sowie der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X vom 14.04.2010" ab (Bescheid vom 17.05.2010, Widerspruchsbescheid vom 05.07.2010). Dagegen erhob der Kläger Klage (S 36 KN 626/10 U). Dr. C1 teilte der Beklagten mit (Schreiben vom 09.08.2010), bei mehreren bekannten Unfällen seien Schäden im Bereich der Wirbelsäule zu keinem Zeitpunkt dokumentiert worden, Unfallfolgen könnten dementsprechend auch nicht geltend gemacht werden. Darüber habe er den Kläger nochmals aufgeklärt. In einem von der Beklagten übersandten Gutachten (13.05.2012) führte Dr. C1 zu den ihm vom Kläger vorgelegten Röntgenbildern des Evangelischen Krankenhauses I vom 09.06.1984 aus, daraus ergebe sich kein Nachweis einer frischen knöchernen Verletzung, jedoch eine Steilstellung der Lendenwirbelsäule sowie muldenförmige degenerativ bedingte Einsenkungen der Grundplatten der Lendenwirbelkörper L3 bis L5. Die vom Kläger angegebenen Kniebeschwerden seien in aller Regel nicht Folge von Unfällen, sondern Folge degen...