Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zur Zulassung der Berufung - Sterbevierteljahresbonus - Berücksichtigung als Einkommen des Grundsicherungsberechtigten

 

Orientierungssatz

1. Eine zur Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG erforderliche grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht gegeben, wenn die Entscheidung nicht von einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt. Das ist u. a. dann der Fall, wenn sich die Rechtsfrage bereits aus dem Gesetz heraus beantworten lässt.

2. Nach § 67 Nrn. 5 und 6 SGB 6 sind Sterbevierteljahresboni kein nicht zu berücksichtigendes Einkommen i. S. des § 11a Abs. 3 S. 1 SGB 2. Damit hat der Grundsicherungsträger, der die Bonuszahlungen auf die der Witwe bzw. dem Witwer zu erbringenden Leistungen nach § 11 SGB 2 angerechnet hat, einen entsprechenden Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger.

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in

dem Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.10.2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 303,88 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist zulässig; insbesondere ist sie nach § 145 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Die Berufung bedarf der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

Die Beschwerde ist nicht begründet, denn die in § 144 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Voraussetzungen, unter denen die nach § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossene Berufung zuzulassen ist, sind nicht erfüllt.

Die Beklagte stützt ihre Beschwerde allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG); sie hält es für klärungsbedürftig, ob der Sterbevierteljahresbonus eine zweckbestimmte Leistung im Sinne des § 11a Abs. 3 S. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ist, mit der Folge, dass ein Erstattungsanspruch nach § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 40a SGB II in Bezug auf diese Leistung nicht besteht.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn die zu treffende Entscheidung sich über den Einzelfall hinaus auswirkt (Breitenwirkung) und von der Antwort auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage abhängt (Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl. 2010, Rn. 322).

Die von der Beklagten formulierte Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Nicht klärungsbedürftig ist eine Frage, wenn sie sich unschwer aus dem Gesetz oder auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantworten lässt (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.06.1997, 4 B 167/96, zitiert nach juris).

Dies ist hier der Fall. Die von der Beklagten formulierte Rechtsfrage ist bereits aus dem Gesetz heraus zu beantworten. § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II lautet: "Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen." In § 67 Nrn 5 und 6 SGB VI, Rechtsgrundlage für die Leistung der Sterbevierteljahresboni, findet sich keinerlei Zweckbestimmung; die Vorschriften bestimmen (nur) für Witwen- und Witwerrenten einen erhöhten Rentenartfaktor von 1,0 bis zum Ende des dritten Monats nach Ablauf des Monats, in welchem der Ehegatte verstorben ist. Da es im Gesetz an jedweder ausdrücklichen Zweckbestimmung fehlt, sind Sterbevierteljahresboni kein nicht zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II (so auch etwa LSG Bayern, Beschluss vom 29.11.2017, L 11 AS 322/17; Sozialgericht Darmstadt, Beschluss vom 23.01.2020, S 19 AS 190/19, beide zitiert nach juris). Daraus folgt, dass ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der die Bonuszahlungen auf die der Witwe oder dem Witwer zu erbringenden Leistungen nach § 11 SGB II angerechnet hat, einen entsprechenden Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger hat. Soweit in den Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und in der Literatur die Auffassung vertreten wird, der Bonus habe den Zweck, die auch finanzielle Belastung zu mindern, welcher der hinterbliebene Ehegatte nach dem Tod des Partners ausgesetzt sei, mag dies zutreffen; für die Beurteilung der Berücksichtigung als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II ist dies mangels ausdrücklich normierter Zweckbestimmung im Sinne des § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II jedoch ohne Belang (so auch unter sehr ausführlicher Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung und mit zahlreichen Nachweisen Hengelhaupt in Hauck/Noftz/Voelzke, Kommentar zum SGB II, Stand 05/2020, § 11a, Rn. 277).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstands findet ihre Grundlage in §§ 63 Abs. 2 S. 1, 52 Abs. 3 S. 1, 47 Abs. 1 S. 1 Gerichtskostengesetz.

Dieser Beschluss ist gemäß § 1...

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