Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit

 

Orientierungssatz

1. Für die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO allein entscheidend, ob ein Grund vorliegt, der den Antragsteller von seinem Standpunkt aus nach objektivem Maßstab befürchten lassen kann, der von ihm abgelehnte Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden.

2. Ein Ablehnungsgesuch kann nicht darauf gestützt werden, dass im Streitfall selbst oder in einem vorausgegangenen Verfahren unrichtige Entscheidungen getroffen sein sollen. Die Besorgnis der Befangenheit kann ausnahmsweise dann gerechtfertigt sein, wenn die behauptete Fehlerhaftigkeit im früheren oder jetzigen Verfahren auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem Beteiligten oder auf Willkür beruht.

 

Tenor

Das Gesuch des Antragstellers vom 23.06.2008, die Richter des 9. Senats wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Über das Ablehnungsgesuch entscheidet nach § 171 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Senat ohne Beteiligung der abgelehnten Richter und in der Zusammensetzung der nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan berufenen Vertreter.

Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO - i. V. m. § 60 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Hierzu ist es nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist, oder sich; für befangen hält. Andererseits rechtfertigt die subjektive Überzeugung des Antragstellers oder seine Besorgnis, der Richter sei befangen, allein nicht die Ablehnung. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Grund vorliegt, der den Antragsteller von seinem Standpunkt aus nach objektivem Maßstab befürchten lassen könnte, der von ihm abgelehnte Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden.

Maßgeblich ist, ob ein Verfahrensbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BSG, SozR 3- 1500 § 60 Nr. 1, m.w.N; Bundesverfassungsgericht BVerfGE 82, 30, 38; 73, 330, 335). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Es kann offenbleiben, ob das Ablehnungsgesuch schon deshalb erfolglos bleiben muss, weil die pauschale Ablehnung des gesamten Spruchkörpers unzulässig ist (vgl. BSG SozR Nr. 5 zu § 42 ZPO; BGH NJW 1974, 55). Denn dem Ablehnungsgesuch gegen den planmäßigen Vorsitzenden des Senats sowie den Berichterstatter, Mitberichterstatter und weiteren Richter des 9. Senats, die sich in ihren dienstlichen Äußerungen vom 23., 24. und 25.06.2008 jeweils nicht für befangen erklärt haben, sind Umstände, die Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter begründen könnten, nicht zu entnehmen.

Der Antragsteller stützt sein Gesuch insbesondere darauf, dass die abgelehnten Richter des 9. Senats nicht bereit seien, auf seine Argumente einzugehen, in den vorangegangenen Eilentscheidungen und auch jetzt von der Rechtsprechung anderer Senate, namentlich des 19. Senats abwichen und die Sozialgesetzgebung nicht richtig deuteten. Dies rechtfertigt bei vernünftiger Würdigung nicht die Besorgnis der Befangenheit. Denn Zweifel an der zutreffenden rechtlichen Bewertung eines Sachverhalts durch einen Richter begründen nicht automatisch Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit. Sie stellen keinen objektiv vernünftigen Grund dar, der den am Verfahren Beteiligten auch von seinem Standpunkt aus befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch entscheiden (Keller in: Meyer-Ladewig ua. SGG, 9. Auflage 2008, § 60 Rdnr 8j mwN). Das Verfahren der Richterablehnung soll nicht gegen unliebsame oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters schützen. Es dient allein dazu, die Beteiligten vor Unsachlichkeit zu bewahren.

Ein Ablehnungsgesuch kann deshalb nicht darauf gestützt werden, dass von einem Richter im Streitfall selbst oder in einem vorangegangenen Verfahren nach Auffassung des Beteiligten unrichtige Entscheidungen getroffen sein sollen. Ebenso wenig stellt die Befürchtung eines Beteiligten, die Richter könnten den jetzigen Fall ebenso wie im vorangegangenen Verfahren würdigen, keinen Befangenheitsgrund dar (BAG, Beschluss vom 29.10.1992 - 5AZR 377/92 - JURIS; BFH Beschluss vom 22.11.2007 - II S 11/07 - JURIS). Die Besorgnis der Befangenheit kann ausnahmsweise dann gerechtfertigt sein, wenn die behauptete Fehlerhaftigkeit im früheren oder jetzigen Verfahren auf einer unsachlichen Einstellung der Richter gegenüber dem sie ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht. Dafür, dass die von den abgelehnten Richtern in früheren Verfahren zugrunde gelegte Rechtsauffassung auf Willkür oder unsachlicher Einstellung beruht, ist nichts ersichtlich. Insbesondere reicht es nicht aus, dass im Verfahren L 9 AS 33/06 in den Urteilsgründe...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office enthalten. Sie wollen mehr?