Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Teilweise Aufhebung der Bewilligung. Kürzung des Leistungssatzes. Wesentliche Änderung. Geltungszeitraumprinzip. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Gesetzgebungsverfahren. Rückwirkung. Rechtsstaatsprinzip. Eigentumsgarantie. Gleichheitsgrundsatz
Leitsatz (redaktionell)
Die zum 01.01.2011 in Kraft getretene Regelung des § 2 Abs. 2 S. 2 BEEG, die zu einer Verringerung des Elterngelds führt, gilt nicht nur für neue Bewilligungen, sondern auch für laufende Leistungsfälle. Diese Auslegung steht im Einklang mit höherrangigem Recht.
Normenkette
BEEG § 2 Abs. 2 S. 2; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 S. 1; GG § 20 Abs. 3
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 09.12.2011 wird zurückgewiesen.
Kosten haben sich die Beteiligten auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Elterngeld und dessen Herabbemessung.
Mit Bescheid vom 22.11.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für den dritten bis 12. Lebensmonat ihres 2010 geborenen Sohnes M in Höhe von 913,89 EUR für den dritten und 1305,56 EUR für den vierten bis 12. Lebensmonat. Sie ging dabei von durchschnittlichen Erwerbseinkünften von 1948,59 EUR aus. Auf Grund einer durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 (HBeglG 2011) verabschiedeten Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) hob die Beklagte die Bewilligung des Elterngeldes mit Bescheid vom 27.12.2010 teilweise ab dem fünften Lebensmonat - ab dem 28.01.2011 - auf. Für die Zeit vom 28.01.2011 bis zum 27.09.2011 bewilligte sie monatlich nur noch 1266 EUR.
Dagegen legte die Klägerin am 19.01.2011 durch ihren Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein. Zu ihren Gunsten bestehe auf Grund des Bewilligungsbescheides eine Bestandsschutzgarantie. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 48 SGB 10 (SGB X) lägen nicht vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.2011 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat dagegen am 17.03.2011 vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben. Die Voraussetzungen des § 48 SGB X seien nicht erfüllt. Die Elterngeldbewilligung stelle keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, sondern nur eine konkrete Bewilligung für konkrete Leistungszeiträume. Zudem sei die rückwirkende Änderung auch verfassungsrechtlich unzulässig. Die Abwägung zwischen der Konsolidierung des Bundeshaushalts einerseits und Vertrauensschutzgesichtspunkten andererseits falle zu ihren Gunsten aus.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 09.12.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung bilde § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung stelle einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, weil sie über die punktuelle Gestaltung des Rechtsverhältnisses hinausreiche. Die Ergänzung des § 2 Abs. 2 BEEG durch das HBeglG 2011 habe die Verhältnisse geändert, weil sich aus der gesetzlichen Änderung ein für die Klägerin um 38,98 EUR monatlich verminderter Elterngeldanspruch ergebe. Diese Änderung sei trotz des geringen Betrages wesentlich, weil die Beklagte den Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen rechtlichen Verhältnissen nicht mehr hätte erlassen dürfen. Das Gesetz enthalte keine Übergangsregelung. Wie sich aus den Gesetzgebungsmaterialien ergebe, sei es daher nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf laufende Leistungsgewährung anwendbar. Die Regelung sei trotz der damit verbundenen unechten Rückwirkung nicht verfassungswidrig. Das übergeordnete staatliche Interesse an einer Haushaltskonsolidierung überwiege den Vertrauensschutz der Klägerin. Die vorgenommenen monatlichen Kürzung in Höhe von 38,98 EUR sei angesichts einer verbliebenen Leistungshöhe von 1266 EUR moderat. Es sei nicht anzunehmen, dass die Klägerin anders disponiert hätte, wenn ihr von vornherein nur der niedrigere Elterngeldbetrag gewährt worden wäre.
Gegen das am 27.12.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.12.2011 Berufung eingelegt. Sie bleibt bei ihrer Ansicht, ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liege nicht vor. Das Sozialgericht habe zudem den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verkannt. Die Stichtagsregelung bei der Einführung des BEEG müsse entsprechend angewandt werden. Denn nach den Gesetzgebungsmaterialien erschließe sich nicht, dass sich der Gesetzgeber hinreichend mit den Argumenten für und gegen eine Stichtagsregelung auseinandergesetzt hat. Zudem sei diese Regelung verfassungswidrig, weil die öffentlichen Interessen einer Haushaltskonsolidierung nicht schwerer wögen als der Eingriff in das Vertrauen der Klägerin. Im Übrigen beruft sich die Klägerin auf die Entscheidung des Sozialgerichts Wiesbaden vom 26.09.2011. Danach sei auf die allgemeinen Grundsätze intertemporalen Rechts abzustellen und das Recht anzuwenden, das bei Geburt des Kindes gegolten habe.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
das Urtei...