Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme der Kosten zur Anschaffung eines digitalen Endgeräts zur Teilnahme am Schulunterricht während der Corona-Pandemie im Wege des einstweiligen Rechtschutzes
Orientierungssatz
1. Zur Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines digitalen Endgeräts nebst Zubehör für die Teilnahme am Schulunterricht während der Corona-Pandemie durch den Grundsicherungsträger im Wege des einstweiligen Rechtschutzes bedarf es der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes.
2. Voraussetzung ist u. a. das Bestehen einer atypischen Bedarfslage i. S. des § 21 Abs. 6 S. 1 SGB 2.
3. Diese ist zu verneinen, wenn die Beschulung des Antragstellers auch ohne die begehrten digitalen Endgeräte ausreichend sichergestellt ist, u. a. durch einen ausreichenden Kontakt zwischen Klassenlehrer und Schüler.
4. An dem erforderlichen Anordnungsgrund fehlt es, wenn dem betroffenen Schüler Hausunterricht zugesichert ist bzw. wenn ihm in absehbarer Zeit das geltend gemachte Gerät von der Schule zur Verfügung gestellt werden kann.
Tenor
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16.09.2020 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines digitalen Endgeräts nebst Zubehör für die Teilnahme am Schulunterricht.
Der Antragsteller (*00.00.2008) steht - in Bedarfsgemeinschaft mit u.a. seiner Mutter - bei dem antragsgegnerischen Jobcenter im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er besucht die I-Schule der antragsgegnerischen Stadt N. Am Präsenzunterricht in der Schule nimmt der Antragsteller derzeit nicht teil, weil er nach einem von ihm vorgelegten ärztlichen Attest aufgrund einer Asthmaerkrankung der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung nicht nachkommen könne.
Am 24.04.2020 beantragte er die Übernahme der Kosten für einen internetfähigen PC nebst Zubehör. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin ab (Bescheid vom 28.04.2020). Ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II liege nicht vor. Zunächst handele es sich nicht um einen unaufschiebbaren Bedarf, denn das Schuljahr habe auch für den Antragsteller bereits im August 2019 begonnen. Weiter bestehe auch keine atypische Bedarfslage. Vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller sich darauf berufe, ein PC im Haushalt werde auch abseits der Corona-Pandemie generell vorausgesetzt, um den Anforderungen in der heutigen Schulzeit gerecht zu werden, müsse von einer durchschnittlichen Lebenssituation ausgegangen werden. Diese sei auch planbar. Der Bedarf sei dem Antragsteller bereits seit geraumer Zeit bekannt gewesen und nunmehr lediglich aufgrund der Corona-Pandemie dringend geworden. Der Antragsteller hätte daher entsprechende Rücklagen bilden müssen. Schließlich handle es sich auch nicht um einen laufenden, sondern einen einmaligen Bedarf, weil es nur um die einmaligen Beschaffungs- und Anschlusskosten gehe. Zusätzlich wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Möglichkeit bestehe, ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II zu beantragen. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.08.2020). Zur Begründung ihres Widerspruchsbescheides führte die Antragsgegnerin aus, der Antragsteller müsse seinen Bedarf vorrangig beim Schulträger geltend machen. Nach Inkrafttreten der Richtlinie über die Förderung von digitalen Sofortausstattungen (Zusatzvereinbarung zur Verwaltungsvereinbarung DigitalPakt Schule 2019-2024 - Sofortausstattungsprogramm) an Schulen und in Regionen in Nordrhein-Westfalen (Runderlass des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.07.2020 - 411) könnten die Schulträger ab sofort die ihnen jeweils zugeteilten Bundesmittel beantragen und mobile Leihgeräte für bedürftige Schüler und Schülerinnen beschaffen.
Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben. Am 07.09.2020 hat er zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Er hat behauptet, in seiner Familie sei kein Computer vorhanden, an dem er seine Schulaufgaben erledigen könne. Ein solcher sei aber notwendig, weil er aus gesundheitlichen Gründen eben nicht am Präsenzunterricht teilnehmen könne. Insoweit liege ein pandemiebedingter Mehrbedarf vor. Dieser weiche auch erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf ab, denn bei der Regelbedarfsermittlung 2017 seien für Datenverarbeitungsgeräte und Software in den für ihn maßgeblichen Regelbedarfssätzen lediglich 2,28 Euro monatlich berücksichtigt worden. Weiter sei der Bedarf auch nicht anderweitig gedeckt. Zum einen könne er nicht darauf verwiesen werden, entsprechende Einsparungen aus dem Regelbedarf zu tätigen. Weiter werde der Bedarf auch nicht durch die Leistungen für den Schulbedarf (§ 28 Abs. 3 S. 1 SGB II) gedeckt; diese umfassten höherwertige elektronische Geräte gerade nicht.
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