Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Einkommensberechnung. Absetzung von Unterhaltszahlungen. festgelegter Betrag in der notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung. Entbehrlichkeit eigener Feststellungen

 

Orientierungssatz

1. Bei der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung sieht § 11b Abs 1 S 1 Nr 7 SGB 2 vor, dass Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag vom Einkommen abzusetzen sind.

2. Infolgedessen bedarf es in einem solchen Fall regelmäßig keiner eigenen Feststellungen des Grundsicherungsträgers oder des Sozialgerichts zur Höhe des Unterhaltsanspruchs (vgl BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 78/10 R = BSGE 107, 106 = SozR 4-4200 § 11 Nr 35).

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.04.2012 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, bei unverändert bleibender, die in der Urkunde des Notars X vom 11.08.2010 festgeschriebenen Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers gegenüber seiner Tochter M S bis zum 31.08.2012 i. H. v. 225,00 Euro monatlich und ab 01.09.2012 i. H. v. 272,00 Euro monatlich vorläufig als Absetzbetrag von dem zu berücksichtigenden Einkommen des Antragstellers im Rahmen der ihm nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen bewilligten SGB II Leistungen in Abzug zu bringen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Dem Antragsteller wird für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I, E, bewilligt.

 

Gründe

I.

Im zugrundeliegenden Verfahren streiten die Beteiligten darüber, ob bei der Berechnung der dem Antragsteller bewilligten Leistungen nach dem SGB II monatliche Unterhaltszahlungen als Absetzbetrag vom Einkommen des Antragstellers in Abzug zu bringen sind.

Der Antragsteller steht seit Februar 2010 in Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Bei deren Berechnung wurde die in der Urkunde des Notars Dr. X zunächst bis 31.08.2012 festgeschriebene Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers i. H. v. 225,00 Euro - ab 01.09.2012 272,00 Euro - berücksichtigt. Dies erfolgte auf einen Widerspruch des Antragstellers mit Abhilfebescheid vom 10.03.2011.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 12.01.2012 hin erließ der Antragsgegner den Bescheid von 31.01.2012, mit dem dem Antragsteller von Januar 2012 an Leistungen ohne Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung bewilligt wurden. Dem widersprach der Antragsteller und machte geltend, sein anzurechnendes Einkommen sei in Höhe des Kindesunterhalts von 225,00 Euro zu berücksichtigen.

Am 21.03.2012 beantragte er beim Sozialgericht Düsseldorf den Erlass einer einstweiligen Anordnung, zu deren Begründung hat er die Berechnung der beantragten Leistungen beanstandet.

Mit Beschluss vom 17.04.2012 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Antrag abgelehnt. Zwar habe der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da ihm nach den Berechnungen des Antraggegners mehr als 10 Prozent der monatlichen Regelleistung fehlten, an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs mangele es hingegen. Der Antragsteller könne im Rahmen der Selbsthilfe ohne weiteres erwirken, dass er keinen oder nur noch einen geringeren Unterhalt zahlen müsse. Zu dieser Selbsthilfe sei er vom Antragsgegner mehrfach aufgefordert worden, sie könne dergestalt aussehen, dass der Antragsteller vor Gericht eine Änderung des notariellen Unterhaltstitels erwirke. Der vorgelegte Titel sei nicht geeignet, die geleisteten Unterhaltszahlungen als Absetzungsbetrag geltend zu machen. Zwar sehe § 11 b Abs. 1 Nr. 7 SGB II vor, dass Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag vom Einkommen abzusetzen sein, jedoch könne diese Vorschrift für eine notariell beurkundete Unterhaltsverpflichtung nur dann und nur in der Höhe gelten, wenn diese Unterhaltsverpflichtung mindestens annähernd der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung und den entsprechenden Beträgen zum Selbstbehalt entspreche. Weiche die in der notariellen Unterhaltsvereinbarung getätigte Unterhaltsverpflichtung deutlich und erkennbar vom gesetzlich geschuldeten Unterhalt ab, so könne vom Antragsteller verlangt werden, dass er eine Abänderung der Unterhaltsvereinbarung entweder in notarieller Form oder vor Gericht erwirke. Insoweit weiche das Gericht von der Entscheidung des Bundessozialgerichts - BSG - vom 09.11.2010 - B 4 AS 78/10 R - ausdrücklich ab. Das Bundessozialgericht habe der Problematik deutlich rechtswidriger Unterhaltsvereinbarung zu Lasten der Grundsicherungsträger keinen ausreichenden Raum gewährt. Der Gesetzgeber habe im Übrigen bei der Abfassung der Vorschrift des § 11 b Abs. 1 Nr. 7 SGB II unbeachtet gelassen, dass Unterhaltsvereinbarungen notariell beurkundet werden könnten, ohne dass der Notar...

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