Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Weg von einem dritten Ort zur Wohnung. Abholen von Arbeitsmaterialien vor Arbeitsbeginn. Schlüssel und Unterlagen
Orientierungssatz
Verunglückt eine Arbeitnehmerin auf dem Weg von einem dritten Ort zu ihrer Wohnung, um dort die für ihre Arbeitstätigkeit benötigten Arbeitsmaterialien (Unterlagen und einen Schlüssel) abzuholen, steht sie dabei nicht gem § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 02.03.2021 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Die 1960 geborene Klägerin wohnt in der T-Straße 5 in X. Ihre Arbeitsstätte, eine Kirchengemeindeverwaltung, befindet sich in der B-Straße in I. Die Klägerin verbrachte das Wochenende vom 25.11.2016 bis zum Morgen des 27.11.2016, einem Montag, in C in Niedersachsen. Sie reiste am Morgen von C ab mit dem Ziel, zunächst nach Hause zu fahren, um dort einen Schlüssel und verschiedene Unterlagen zu holen, welche sie für die Verrichtung ihrer Arbeitstätigkeit benötigte, und sodann zu ihrer Arbeitsstätte zu fahren. Arbeitsbeginn sollte an jenem Tag für die Klägerin um 11 Uhr sein. Um 08.55 Uhr erlitt die Klägerin auf dem Weg zu ihrer Wohnung (Fahrabschnitt der Bundesstraße 01 in Richtung X etwa acht Kilometer vor der Stadt) einen Verkehrsunfall.
Mit Bescheid vom 20.03.2017 lehnte es die Beklagte ab, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen: Der Umstand, dass der Unfall sich nicht auf dem Weg von der Wohnung der Klägerin zur Arbeitsstätte ereignet habe, sondern auf dem Weg ausgehend von dem deutlich weiteren Ort C schließe eine Anerkennung als Arbeitsunfall aus. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein. Sie meinte, ihr Fall dürfe nicht anders beurteilt werden als der Fall eines Angestellten, der am Arbeitsplatz angekommen feststelle, dass er Unterlagen vergessen habe, und nach Hause umkehre, um dieselben zu holen. Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft von der Arbeitgeberin der Klägerin ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2017 wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück: Der deutlich längere Anfahrtsweg von C stehe einer Anerkennung als Arbeitsunfall entgegen. Ebenfalls entgegen stünde, dass nach der ihr von der Arbeitgeberin erteilten Auskunft die Klägerin um die Erforderlichkeit gewusst habe, zunächst nach Hause und dann zur Arbeitsstätte zu fahren.
Hiergegen hat die Klägerin am 06.10.2017 Klage beim Sozialgericht (SG) erhoben. Sie hat im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.
Die Beklagte hat ihre Entscheidung für rechtmäßig gehalten.
Die Klägerin hat schriftsätzlich wörtlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2017, zugestellt am 15.09.2017, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und das Ereignis vom 27.11.2016 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Sozialgesetzbuch VII - Gesetzliche Unfallversicherung - anzuerkennen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 02.03.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt:
"Bei dem streitbefangenen Ereignis vom 27.11.2016 hat es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Eine versicherte Tätigkeit ist nach Maßgabe von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Im vorliegenden Fall ist der Tatbestand der zitierten Vorschrift schlechterdings nicht erfüllt. Das Ereignis, welches bei der Klägerin zu einem Gesundheitsschaden geführt hat, hat sich weder auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte noch auf dem Weg von ihrer Arbeitsstätte zugetragen, sondern auf dem Weg von C zu ihrer Wohnung. Eine Erweiterung des Tatbestandes der zitierten Norm dahin, dass auch Wege von einem dritten Ort zur Wohnung versichert seien, wenn dort Arbeitsmaterialien aufgenommen werden sollten, besteht nicht. Entsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob dieser dritte Ort weit entfernt ist oder nahe zur Wohnung des Versicherten liegt.
Einer Auseinandersetzung der Kammer mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.11.2018 (B 2 U 7/17 R, juris) bedurfte es ebenso wenig, weil die Klägerin in jenem Fall auf einem nach § 8 Abs.1 S.1 SGB VII geschützten Betriebsweg verunfallt ist und nicht auf einem Weg i.S.v. § 8 Abs.1 S.2 Nr.1 SGB VII."
Am 17.03.2021 ist der Klägerin dieses Urteil zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die am 26.03.2021 eingelegte Berufung. Zu deren Begründung wiederholt die Kläger...