Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe zur Verfolgung eines Anspruchs auf Insolvenzgeld. hinreichende Erfolgsaussichten. drohende Insolvenzanfechtung. bereicherungsrechtlicher Rückgewähranspruch. Erfüllungswirkung des gezahlten Arbeitsentgelts. Titulierung der Rückforderung durch gerichtlichen Vergleich. Ausschlussfrist. Aktivlegitimation des Klägers bei Abtretung des Anspruchs. Vom Insolvenzverwalter erklärte Anfechtung der Zahlung von Arbeitsentgelt. Nachfrist. Wegfall des Hinderungsgrundes

 

Orientierungssatz

1. Durch das Insolvenzgeld sind solche Ansprüche auf Arbeitsentgelt auszugleichen, die noch nicht befriedigt worden sind. Hat der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt innerhalb der letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses erfüllt, so besteht kein Anspruch auf Insolvenzgeld (vgl BSG vom 27.9.1994 - 10 RAr 1/93 = BSGE 75, 92 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10).

2. Die befreiende Zahlung fällt nicht bereits dadurch weg, dass sich der Arbeitnehmer einem Rückgewähranspruch zur Masse nach § 143 Abs 1 InsO ausgesetzt sieht. Das bloße Bestehen eines bereicherungsähnlichen Rückgewährsanspruchs beseitigt die Erfüllungswirkung gezahlten Arbeitsentgelts so lange nicht, als keine tatsächliche Rückzahlung erfolgt ist.

3. In Fällen, in denen nicht nur eine Anfechtung der Entgeltzahlung nach § 131 InsO mit der Rechtsfolge der §§ 143, 144 InsO vorliegt, sondern die Rückforderung durch einen gerichtlichen Vergleich tituliert worden ist, stellt sich die Frage, ob eine der tatsächlichen Rückzahlung gleichzustellende Konstellation vorliegt.

4. Zur Frage der Rechtzeitigkeit eines Antrags auf Insolvenzgeld.

 

Normenkette

SGB III § 165 Abs. 1, § 324 Abs. 3; BGB § 362 Abs. 1; InsO §§ 131, 143 Abs. 1, § 144 Abs. 1; SGG § 73a; ZPO § 114

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 15.04.2013 geändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Detmold ab dem 10.06.2013 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwaltskanzlei H, C-straße 00, 32584 M, beigeordnet; die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin vom 17.05.2013 (vorab per Fax eingegangen am gleichen Tag) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 15.04.2013 (der Klägerin zugestellt am 19.04.2013), mit dem es den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt hat, ist begründet. Der Klägerin war für die Klage gegen den die Gewährung von Insolvenzgeld ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 12.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2012 Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

1.) Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - (SGG) i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung - (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann gegeben, wenn - bei summarischer Prüfung - eine gewisse Möglichkeit des Obsiegens in der Hauptsache - auch im Sinne eines Teilerfolges - besteht (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 73a Rdnrn. 7 ff., m.w.N.). Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten jedoch nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347 [356 ff.]). Hinreichende Erfolgsaussichten sind grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG - a.a.O.) oder wenn von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können, und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ermittlungen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20.02.2001 - 1 BvR 1450/00 - Juris Rdnr. 12; Senat, Beschluss vom 28.05.2013 - L 9 AS 541/13 B - Juris-Rdnr. 4).

In Anwendung dieser Grundsätze kann der Klage eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht ohne Weiteres abgesprochen werden.

a) Der streitgegenständliche Anspruch der Klägerin auf Insolvenzgeld gemäß § 165 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) in der ab 01.04.2012 geltenden Fassung (entspricht § 183 Abs. 1 SGB III a.F.) scheitert nicht schon an einer fehlenden Aktivlegitimation der Klägerin, weil sie den (möglichen) Anspruch gegen die Beklagte in dem vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Herford im Kammertermin am 07.11.2012 geschlossenen Vergleich an den Insolvenzverwalter über das Verm...

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